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verwundet (German Edition)

verwundet (German Edition)

Titel: verwundet (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constanze Kühn
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wen?“
    „Zuerst einmal auf Angelika. Sie hätte mir das mit Herbert sagen müssen.“
    Frau Dr. Donner nickte. „Warum, glauben Sie, hat sie es unterlassen?“
    Harald schüttelte heftig den Kopf. „Keine Ahnung.“
    „Könnte es wegen Ihrer Eifersucht gewesen sein? Oder weil Sie Ihnen nicht vertraut hat?“
    „Mir nicht vertraut?“ rief Harald, und in seinem Gesicht zeigte sich Empörung.
    „Es ist zwischen Ihnen viel schief gelaufen und das schon ziemlich am Anfang Ihrer Beziehung. Es blieb also wenig Zeit, Vertrauen aufzubauen und …“
    „Wollen Sie etwa Angelikas Verhalten damit entschuldigen?“
    Die Analytikerin schüttelte den Kopf. „Nein. Ich möchte nur, dass Sie sich klar werden, dass es aus Angelikas Sicht wichtige Gründe gegeben haben könnte. Vielleicht können Sie es ihr dann eher nachsehen.“
    Harald winkte ab. Nach einigen Minuten des Schweigen sagte er: „Ich bin auf viele Leute wütend.“
    „Auf wen noch?“
    „Auf meine Eltern, manchmal sogar auf Clärchen.“
    Als sie nickte, sagte er: „Ich weiß nicht, wohin damit.“
    „Manchmal ist Wut auch eine Form der Abwehr!“
    „Wie meinen Sie das?“
    „Wenn Sie wütend sind, könnte das andere Gefühle wie Trauer oder Schmerz überdecken.“
    „Aber ich fühle keine Trauer.“
    „Auch nie über ihre verlorene Jugend?“
    „Es reicht ja wohl, dass ich darüber in Angelikas Armen geweint habe.“ Das war ihm so herausgerutscht. Er rutschte unruhig auf seinem Sessel hin und her „Das muss ich hier ja nun nicht wiederholen. Außerdem war das nicht gerade förderlich für unsere Beziehung.“
    „Weshalb glauben Sie das?“
    „Sie hat danach nicht mehr mit mir geschlafen. Wahrscheinlich denkt sie, ich sei ein Waschlappen.“
    „Das kann ich mir kaum vorstellen, Herr Wiebke.“
    „Wieso nicht? Sie kennen Sie doch gar nicht.“
    „Es würde mich wundern, wenn eine Frau mit diesem Beruf so denken würde.“
    „Therapeuten sind auch nur Menschen.“
    „Empfinden Sie sich selbst als einen Waschlappen?“
    Er stutzte und starrte sie an. Dann sagte er: „Mein Vater hat mich so genannt. Ich hatte schreckliche Angst vor Wasser und besonders auch vor dem Turmspringen.
    Einmal hat mein Vater mir dann gesagt, dass er mir helfen wolle. Er hat mich auf einen Dreimeterturm gelotst und mich dann ganz plötzlich hinuntergeschubst.“
    „Er hat sie einfach gestoßen“, fragte sie entsetzt.
    „Ja.“
    „Was haben Sie... ?“
    „Ich würde lieber wieder über Angelika sprechen.“
    Sie schwieg einen Moment und sah ihn nachdenklich an. „Was hat Angelika gemacht, als Sie geweint haben?“
    „Sie hat mich umarmt und mir gesagt, dass sie Tränen nicht als Schwäche ansehen würde. Aber wahrscheinlich hat sie das nur so daher gesagt.“
    „Könnte es nicht so gewesen sein, dass Sie Weinen als Schwäche ansehen und dann diesen Glaubenssatz Angelika unterstellt haben? Dass Sie alle Signale oder Worte, die sie Ihnen zukommen ließ, übersehen und überhört haben?“
    „Wie kommen Sie denn darauf?“
    „Alles, was Sie mir bisher über Ihre Beziehung berichtet haben, deutet für mich darauf hin, dass Sie ihr einiges bedeutet haben müssen und vielleicht auch noch bedeuten. Es muss für sie als behandelnde Ärztin von Lisa nicht einfach gewesen sein, diese Verflechtung von Privat- und Berufsleben in den Griff zu kriegen. Für sie wäre es viel einfacher gewesen, die Beziehung zu Ihnen abzubrechen.“
    Er unterbrach sie: „Das hat sie dann ja auch.“
    Sie sprach weiter, als hätte er nichts gesagt: „Und trotz Ihres eigenen Verhaltens, das Sie selbst als zerstörerisch bezeichnet haben, hat Sie Ihnen doch immer wieder von neuem eine Chance gegeben. Was glauben Sie? Warum hat sie das wohl getan?“
    Sein Gesicht verfinsterte sich. „Es hat halt gut im Bett funktioniert.“
    Sie runzelte die Stirn. „Sie haben mir doch berichtet, dass sie schon eine ganze Weile nicht mehr mit Ihnen geschlafen hat.“
    „Wir waren uns ja bereits wieder näher gekommen. Wir haben zusammen auf der Couch gelegen, und trotzdem schien sie überhaupt keine Lust mehr zu haben.“
    „Vielleicht passte es in diesem Moment für sie einfach vom Gefühl her nicht. Frauen sind ja häufig stimmungsab...“
    „Dieses Argument halte ich für platt! Frei nach dem Motto: Männer wollen nur Sex, Frauen brauchen dazu immer Gefühle. Wir waren schon verrückt nacheinander, als von Gefühlen noch gar nicht die Rede war“, sagte er aufgebracht. „Bereits am ersten Abend

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