verwundet (German Edition)
Männern?“
„Vielleicht waren Sie wütend, weil ich Ihnen gesagt habe, dass Sie Angelika Ihre eigenen Empfindungen unterstellt haben.“
Er winkte ab. „Ich war einfach nur ärgerlich, weil ich dachte, dass Sie glauben, dass Frauen Sex anders bewerten als Männer.“
Sie antwortete nicht, sah ihn nur aufmerksam an. Das Thema brachte ihm wieder seinen erotischen Traum in Erinnerung. Ihr Blick war durchdringend, und er fragte sich, ob sie seine Gedanken erraten konnte.
„Sie haben einen ganz schön intensiven Blick. Trainieren Analytiker so etwas?“
Sie runzelte die Stirn. „Sie meinen, ob wir das Anschauen von Patienten üben?“
„So in etwa.“
Sie schüttelte den Kopf. „Eine interessante Idee. Aber nein. Vermutlich sind Sie es nur nicht gewöhnt, dass Ihnen jemand so lange ungeteilte Aufmerksamkeit widmet. Dadurch entsteht vielleicht das, was Sie einen intensiven Blick nennen.“
Er nickte. „Ich habe mir übrigens überlegt, dass ich gerne vier Sitzungen pro Woche hätte.“
„Ich weiß nicht, ob das sinnvoll ist.“
„Warum?“
„Weil so eine Therapie ja viel aufwühlt, und es braucht auch Zeit, damit sich Dinge entwickeln können.“
„Ein Versuch wäre es doch wert, oder? Denken Sie daran, dass ich nicht so viel Zeit habe. Und wenn es mir zu viel wird, können wir es ja wieder auf drei Sitzungen reduzieren.“
„Also gut. Probieren wir es. Dann also künftig auch mittwochs um acht.“
Erleichtert atmete er auf. Nach kurzem Schweigen sagte er: „Mir fällt gerade nichts ein, was ich erzählen könnte.“
„Assoziieren Sie einfach drauf los.“ Sie nickte ihm aufmunternd zu.
Aber er konnte sich nicht konzentrieren, weil er mit seinen Gedanken schon wieder bei ihrem Mund und diesen verflixten blauen Augen war. „Ich will mich nicht wiederholen.“
„Wenn einem Dinge ständig durch den Kopf gehen, zeigt das, dass sie einem wichtig sind.“
„Dann sind Sie mir also sehr wichtig“, platzte er heraus. Er hätte sich ohrfeigen können. Wieso verspürte er diesen Drang, ihr so etwas zu sagen?
„Herr Wiebke.“ Ihre Stimme war warm. „Wir sehen uns mehrmals pro Woche, und die Gespräche sind immer sehr intensiv mit für Sie sehr wichtigen Themen. Es ist also völlig normal, dass Sie an mich denken.“
Hastig wechselte er das Thema und begann, ihr von seiner Arbeit zu erzählen.
Als Harald das nächste Mal wieder vor Frau Dr. Donner saß, fiel ihm nichts ein. Er hatte wieder von ihr geträumt.
Er schüttelte den Kopf.
„Diskutieren Sie gerade mit sich selbst?“
„Dumme Gedanken.“
Sie lächelte. „Im Grunde genommen gibt es keine dummen Gedanken. Vielmehr ist es so, dass sie häufig Aufschluss über unsere innersten, oftmals unbewussten Gefühle geben.“
„Ich möchte nicht darüber reden“, sagte er abweisend. Sie schwieg für einen Moment, bevor sie sagte: „Die meisten Menschen denken, es ist einfacher, Gefühle zu verdrängen. Sie verknüpfen damit die Hoffnung, dass sie dadurch seelischen Schmerz umgehen können. Aber Emotionen verschwinden nicht einfach, nur weil man sie nicht wahrhaben will. Stellen Sie sich einfach vor, Sie haben ein Boot, welches ein Leck hat. Sie können das Leck nun ignorieren, weil Sie keine Lust haben, sich damit zu beschäftigen. Irgendwann jedoch wird Ihr Schiff sinken.“
Darauf erwiderte er nichts. Nach einer Weile sagte er: „Ich fürchte, ich bin heute kein guter Gesprächspartner.“
„Deswegen sind Sie ja auch nicht hier.“
„Das weiß ich!“ Sein Ton war scharf gewesen. „Entschuldigung. Ich bin heute nicht gut drauf.“
„Vielleicht sollten Sie gerade dann darüber sprechen. Deshalb machen Sie doch die Therapie.“
Wieder reagierte er ungeduldig. „Ich weiß doch selbst nicht, was mit mir ist.“ Ihre ruhige Art, die ihm sonst so gut getan hatte, ärgerte ihn jetzt. „Ich möchte jetzt gehen!“ stieß er hervor.
„Das steht Ihnen frei.“
Er stand auf und verließ das Zimmer. Als er zur Wohnungstür ging, meinte er, ihren blauen Blick auf seinem Rücken zu spüren. Mit geballten Fäusten blieb er stehen, bevor er sich umwandte und wieder ihr Sprechzimmer betrat. Sie hatte ihre Haltung nicht verändert, und ihr Gesicht war nachdenklich. Er ging wieder zu seinem Sessel, setzte sich und sagte: „Ich weiß selbst nicht, warum ich so aggressiv bin. Tut mir leid.“
„Sie kämpfen gegen etwas an, was aus Ihnen raus will.“ Plötzlich begriff er. Seine Gedanken waren plötzlich ganz klar. Das gibt es doch
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