verwundet (German Edition)
nicht, dachte er. Ich bin auf dem besten Weg, mich in meine Analytikerin zu verlieben. „Scheiße, ich will das nicht.“
„Was wollen Sie nicht, Herr Wiebke?“
Er schüttelte nur den Kopf. „Vergessen Sie es.“
Sie sah ihn eine Weile schweigend an und sagte dann. „Sehen Sie. Dafür ist die Couch gut. Durch das Liegen und die freie Assoziation wird die Gedankenkontrolle erschwert.“
„Gedankenkontrolle?“
„Das, was Sie eben gemacht haben, Herr Wiebke.“
Er wollte sich verteidigen, doch sie machte eine abwehrende Handbewegung. „Es ist Ihre Therapie. Sie bestimmen, wie weit Sie sich darauf einlassen wollen.“ Ihre Stimme klang ruhig, aber bestimmt.
„Gut, wie Sie wollen. Ich habe gedacht, dass ich gerne mit Ihnen schlafen würde“, sagte er schroff. „Vielleicht erklärt Ihnen das, warum ich Gedankenkontrolle betreibe.“ Er erwartete, dass sie schockiert sein würde.
Ihr Gesichtsausdruck blieb jedoch ruhig und gelassen. „Herr Wiebke, das ist völlig normal und...“
Er stand auf, stürzte hinaus und knallte die Tür hinter sich zu. Er rannte fast zum Bahnhof.
Als er am nächsten Tag ihr Zimmer betrat, fühlte er seinen Herzschlag bis zum Hals. Sie begrüßte ihn freundlich wie immer. Als er ihre Hand in seiner fühlte, fiel ihm auf, wie weich ihre Haut war. Auch ging ein sehr angenehmer Geruch von ihr aus. Verdammt! Am besten war es, wenn er seine Gefühle einfach nicht zur Kenntnis nahm. „Hallo, Frau Dr. Donner.“
„Guten Tag, Herr Wiebke.“
Sie ließ ihm wie immer Zeit, aber er wusste nichts zu sagen.
„Wie geht es Ihnen heute?“ fragte sie schließlich. „Gut.“ Er starrte vor sich hin. Sein Blick fiel wieder auf ihre zierlichen Füße, wanderte höher, bis er schließlich wieder bei ihren Augen angekommen war, die ihn forschend betrachteten. „Mir fällt heute nichts ein.“
„Man hat doch immer irgendwelche Gedanken. Sprechen Sie einfach drauf los.“
Er schüttelte nur den Kopf.
„In diesem Raum darf alles ausgesprochen werden!“
„Ich will aber nicht alles aussprechen! Bin ich etwa verpflichtet, jeden meiner Gedanken auszubreiten?“
„Sie sind nur sich selbst verpflichtet. Für die Therapie wäre es aber schon sehr hilfreich, wenn Sie Ihre Gedanken nicht unterdrücken würden.“
„Ich erzähle, was mir passt! Basta!“
„Herr Wiebke, ich kann Ihnen nur soweit helfen, wie Sie es zulassen. Sie bestimmen, wohin die Therapie führt.“
„Ja, genau! Und deswegen möchte ich jetzt gehen. Kein guter Tag heute!“ Er sah sie nicht mehr an und ging.
Die nächsten drei Sitzungen verbrachte er damit, über seine Arbeit zu erzählen. Irgendwann stellte er fest, dass er sich mit sich selbst langweilte, und so fragte er sie in der nächsten Sitzung: „Ich langweile Sie, nicht wahr?“
„Es geht nicht darum, ob Sie mich langweilen. Ich finde es eher erstaunlich, dass Sie selbst sagen, dass Sie nur so wenig Zeit für die Therapie hätten, und jetzt verschwenden Sie sie.“
„Ich habe im Moment eben nichts zu berichten.“
Sie schüttelte den Kopf. „Sie hätten mit Sicherheit viel zu erzählen, aber Sie laufen weg, so wie Sie immer weglaufen!“
Er schwieg. Schließlich begann er etwas widerwillig zu erzählen. „Ich hatte letzte Nacht einen Traum.“
Sie nahm ihren Block zur Hand. „Erzählen Sie.“
„Ich war zu Hause, als es an der Tür klingelte. Zuerst wollte ich nicht aufmachen. Aber es hat so lange geklingelt, bis ich schließlich die Tür geöffnet habe. Sie standen davor und waren ganz in weiß gekleidet. Ich ließ Sie herein, wollte aber partout nicht, dass Sie ins Wohnzimmer gehen, sondern habe Sie in die Küche geführt. Dort wollte ich Ihnen Spargel servieren. Sie aber haben darauf bestanden, mich zu füttern und zwar mit Brot. Danach bin ich aufgewacht.“
Frau Dr. Donner dachte eine Weile darüber nach und sagte anschließend. „Ein interessanter Traum. Gehen wir die einzelnen Symbole durch. Klingeln im Traum ist häufig ein Zeichen, dass auf etwas Neues aufmerksam gemacht wird. Sie hatten Widerstand, auf das Klingeln zu hören. Das Wohnzimmer steht oft für den inneren Raum des Träumers, ist also der privateste Rückzugsraum, in den man nicht jedermann hineinlassen möchte. Es würde passen, dass ich klingele und dass Sie mich nicht in das Wohnzimmer lassen wollen. Mit anderen Worten. Sie möchten mich nicht in Ihren Gefühlsbereich hineinlassen. Die Farbe Weiß hat viele Bedeutungen. Unschuld, Reinigung, Ausdruck von Angst, der
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