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verwundet (German Edition)

verwundet (German Edition)

Titel: verwundet (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constanze Kühn
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doch hier.“
    „Darum geht es nicht. Es gibt Spielregeln, Herr Wiebke, die auch für Sie gelten.“
    „Mir ging es nicht gut.“
    „Ich würde Ihr Verhalten eher als Widerstand gegen die Therapie werten.“
    Schulterzuckend sagte er: „Ich kann ja auch wieder gehen.“ Sie wies zur Tür. „Bitteschön. Vorher können Sie das Geld für diese Stunde auch gleich auf den Tisch legen.“
    „Sie sind ganz schön geldgeil!“
    „Herr Wiebke, die Krankenkasse zahlt nicht für schuldhaft versäumte Stunden, und ich werde nicht auf meinen Verdienst verzichten, weil Sie meinen, Ihre eigene Therapie boykottieren zu müssen.“
    Harald setzte sich auf seinen Sessel und fing betont gelangweilt an, ihr über die bürokratischen Schwierigkeiten auf der Vogelstation zu erzählen. Irgendwann unterbrach sie ihn. „Können Sie mir sagen, Herr Wiebke, was Sie hier machen?“
    „Ich erzähle Ihnen über meine Arbeit.“
    „Ich will hören, was Sie wirklich fühlen und denken, Herr Wiebke, sonst hat die Therapie nämlich keinen Sinn.“
    „Ich sage doch, was ich denke.“
    Sie schüttelte den Kopf. „Das tun Sie im Moment keineswegs. Wann immer Ihnen ein Thema zu brenzlig wird, lenken Sie ab ebenso wie Sie meine Deutungen ablehnen.“
    „Wenn ich sie ablehne, dann einfach, weil sie nicht stimmen. Glauben Sie, Sie sind unfehlbar und liegen immer richtig?“
    „Nein, absolut nicht! Aber ich spüre, wenn jemand nicht ganz aufrichtig ist.“
    Als er nicht antwortete, fuhr sie fort: „Ein Teil von Ihnen sehnt sich nach Veränderung, ein anderer wehrt sich dagegen. Vielleicht versuchen Sie, in sich hineinzuhorchen und herauszufinden, welcher Teil in Ihnen sich sperrt.“
    „Ich sperre mich nicht.“ Er setzte sich breitbeinig hin. „Ich habe einfach Lust auf Sie. Sie sind eine schöne und erotische Frau, und es ist verdammt schwer, hier zu sitzen, ohne Sie berühren zu dürfen.“
    „Herr Wiebke. Es ist Ihnen doch klar, dass ein Verhältnis zwischen Patient und Therapeut nicht in Frage kommt.“
    „Würden Sie mit mir schlafen, wenn Sie nicht meine Therapeutin wären?“
    „Solche Wenn-Diskussionen sind müßig...“
    Harald schnaubte. „Ausflüchte!“ Sein Gespräch mit Angelika kam ihm in den Sinn. Was macht der Therapeut mit dieser Liebe? Man reagiert mit freundlicher Neutralität. Nicht gerade erbaulich für den Patienten. Für den Therapeuten häufig auch nicht. Weil die Patienten meist den starken Wunsch verspüren, über ihre Gefühle und oftmals auch über ihre sexuellen Phantasien zu sprechen. Der Therapeut, ein Mensch wie jeder andere mit einem eigenen erotischen Leben, kann dann, wenn er den Patienten selbst attraktiv findet, schon sehr ins Schwitzen geraten. Er stand auf, stellte sich vor sie hin und beugte sich zu ihr herunter, wobei er wieder ihren angenehmen Duft wahrnahm. „Finden Sie mich nun attraktiv oder nicht? Die Frage ist doch ganz einfach.“
    Sie erhob sich. „Lassen Sie ihre Spielchen, Herr Wiebke.“
    „Ich würde wirklich wahnsinnig gerne mit Ihnen schlafen!“
    Sie starrten sich an. Er versuchte, in ihren Augen zu lesen, Anzeichen zu entdecken, dass sie nervös war. Ihre Stimme klang fest und bestimmt, als sie sagte. „Nehmen Sie bitte wieder Platz!“
    Als er sich ihrem Mund näherte, sagte sie scharf. „Eine einzige Berührung, und Sie können sich eine neue Therapeutin suchen!“
    Treuherzig sah er sie an: „Schade! Es wäre sicher sehr schön.“ Während er zu seinem Sessel schlenderte, hörte er ihre Stimme. „Gehören Sie zu den Männern, die das Nein einer Frau nicht akzeptieren können?“
    Er ließ sich nieder und sah sie an. Sie hatte sich ebenfalls wieder gesetzt. Er schüttelte den Kopf. „Nicht, wenn ich mir nicht sicher bin, dass es wirklich so gemeint ist.“
    „Und Sie meinen, meines sei nicht ernst gewesen?“
    „Richtig!“
    „Dann lassen Sie mich eines klarstellen. Noch einmal solch eine Show, und ich beende die Therapie. Ich hoffe, mein Nein ist damit deutlich genug für Sie. Im Übrigen ist die Sitzung für heute beendet!“
    „Nun seien Sie doch nicht gleich so sauer. Sie sind eben sehr anziehend. Da kann doch ein Mann mal schwach werden!“
    Sie zeigte zur Tür.
    Er zuckte mit den Schultern, erhob sich und ging.
    Als Harald zur nächsten Therapiestunde nach Hannover fuhr, ging ihm immer wieder das Gespräch mit Angelika durch den Kopf. Der Therapeut, ein Mensch wie jeder andere mit einem eigenen erotischen Leben, kann dann, wenn er den Patienten selbst

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