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verwundet (German Edition)

verwundet (German Edition)

Titel: verwundet (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constanze Kühn
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männliche Geist, aber auch Weisheit. Da nicht Sie, sondern ich in weiß gekleidet war, würde ich davon ausgehen, dass Sie mich als weise Frau ansehen. Küche ist häufig ein Symbol für psychische Energie, die umgewandelt werden soll. Es könnte also Ihren inneren Wunsch nach Veränderung ausdrücken. Sie wollen mich zum Essen von Spargel verführen. Spargel ist eindeutig ein Phallussymbol. Ich weigere mich aber und will stattdessen Sie füttern, was für das Ernähren steht. Brot hat einige Bedeutungen. Es gehört zu unseren wichtigsten Grundnahrungsmitteln, kann aber auch für geistige Nahrung stehen.“
    Haralds Ohren glühten.
    Sie musterte ihn. „Können Sie mit dieser Deutung etwas anfangen?“
    „Überhaupt nicht!“, sagte er kopfschüttelnd.
    „Herr Wiebke, wenn Sie nicht ehrlich...“
    „Was heißt hier nicht ehrlich? Verdammt! Ich bin Ihnen wohl völlig egal. Oder? Für Sie bin ich nur eine Nummer, die Ihnen Ihr Einkommen beschert.“
    „Sie nehmen Ihre eigene Therapie nicht ernst, wollen aber, dass Sie mir wichtig sind.“
    „Umgekehrt wird ein Schuh daraus. Ich nehme meine Therapie nicht wichtig, weil ich Ihnen nicht wichtig bin.“
    „Woran machen Sie das fest?“
    „Ganz einfach. Ich sage Ihnen, dass ich mit Ihnen schlafen will, und Sie erklären mir ganz kaltschnäuzig, dass das völlig normal sei.“
    Forschend sah sie ihn an. „Welche Reaktion hätten Sie sich denn von mir gewünscht?“
    „Dass Sie...“ Er schwieg und presste seine Kiefer zusammen.
    Sie sah ihn nachdenklich an. „Glauben Sie, dass eine Frau Sie nur mag, wenn sie mit Ihnen schläft?“
    „Quatsch.“
    „Wieso sagen Sie dann, Sie seien mir nicht wichtig, nur weil ich auf Ihr sexuelles Angebot Ihrer Meinung nach kaltschnäuzig reagiert habe?“ Als er schwieg, fuhr sie fort: „Kann es nicht sein, dass Sie einfach gekränkt sind, wenn Ihnen eine Frau eine Abfuhr erteilt?“
    „Bis jetzt habe ich noch jede Frau bekommen, die ich wollte!“ Ihr prüfender Blick ärgerte ihn. „Könnten Sie vielleicht mal aufhören, mich so anzustarren?“
    „Warum stört es Sie, wenn ich sie ansehe.“
    „Ihre Augen wirken kalt.“ Als sie ihn nur ruhig ansah, setzte er nach: „Sind Sie eigentlich schon in den Wechseljahren?“
    „Sie sind wütend auf mich“, stellte sie gelassen fest. „Ich bin doch nicht wütend auf Sie.“
    „Warum versuchen Sie dann, mich zu verletzen? Ist das Ihre Art, sich Gefühlen zu verweigern?“
    „Wie kommen Sie denn auf die Idee?“
    „Sie erzählen mir, Sie wollen mit mir schlafen. Dann greifen Sie mich persönlich an und versuchen, mich in meiner Weiblichkeit herabzusetzen.“
    „Sie sollten nicht so empfindlich sein. Ich habe es nicht böse gemeint.“
    „Doch! Das haben Sie! Ich denke, dass Sie es als persönlichen Affront gegen sich empfinden, wenn eine Frau auf Ihre Avancen nicht eingeht.“
    „Das ist das Dümmste, was ich je gehört habe. Außerdem war es nur eine vorübergehende Lust und ist schon wieder vorbei.“
    „Dann haben Sie ja keinen Grund mehr, wütend zu sein“, sagte sie.
    „Ich bin nicht wütend auf Sie!“
    „Das kommt aber ganz anders bei mir an.“
    „Aha. Ist es nicht so, dass Sie Wut empfinden, weil ich Sie Ihrer Meinung nach kränken wollte und dass Sie jetzt diese Wut mir unterstellen?“
    „Sie haben ja doch etwas gelernt und sei es auch nur, um es gegen mich zu verwenden.“ Er konnte es nicht fassen, dass er auf hundertachtzig war, während sie völlig gelassen vor ihm saß. „Sie drehen mir jedes Wort im Mund herum“, schrie er.
    „Sie haben Angst, Herr Wiebke. Sie haben wahnsinnige Angst, Sie könnten die Kontrolle über Ihre Gefühle verlieren, und deshalb reagieren Sie mit Trotz und Aggression und versuchen, andere Menschen zu verletzen.“
    „So ein Quatsch!“ Die Tür fiel mit einem lauten Knall hinter ihm zu.
    *
    Als Harald betont lässig das Behandlungszimmer von Frau Dr. Donner betrat, empfing sie ihn zum ersten Mal nicht mit einem Lächeln. Nach ihrer Begrüßung sagte sie kühl: „Es ist Ihnen doch klar, dass Sie die letzten beiden Stunden bezahlen müssen?“
    Wortlos holte er die Brieftasche aus seiner Hosentasche und legte ihr das Geld auf den Schreibtisch. „Außerdem möchte ich Sie bitten, abzusagen, wenn Sie die Stunden nicht wahrnehmen wollen. Ich weiß mit meiner Zeit Besseres anzufangen, als hier herumzusitzen und mir den Kopf zu zerbrechen, ob Sie wohl kommen oder nicht.“
    „Das müssen Sie ja nicht. Schließlich wohnen Sie

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