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verwundet (German Edition)

verwundet (German Edition)

Titel: verwundet (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constanze Kühn
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´n dunkles Weizenbier.“ Sie brachte es ihm, konnte sich aber nicht mehr mit ihm unterhalten, da der Laden heute sehr gut besucht war. Beim zweiten Bier fragte er sie, wo sie jetzt wohne. „Gleich um die Ecke bei Heidi.“ Sie wollte noch etwas hinzufügen, als schon wieder der Chef nach ihr rief. Sie zuckte mit den Schultern und wandte sich ab.
    „Lisa!“ Ihr Chef winkte sie nach hinten in sein Büro. Dann schloss er die Tür. „So Süße, jetzt wollen wir doch mal Tacheles reden. Du bist dazu da, die Gäste zum Trinken zu bringen, und nicht, um trübsinnig in der Ecke zu stehen. Wie bist du überhaupt angezogen? Du hast doch noch andere Klamotten als das da?“ Er zeigte geringschätzig auf ihre Jeans und ihr T-Shirt. „Ich kann mich an Zeiten erinnern, als du noch ein bisschen leichter geschürzt gegangen bist. Männer regt das an, das ist gut fürs Geschäft. Nimm dir ein Beispiel an Heidi. Also - ab morgen will ich dich nicht mehr in Hosen hier sehen und schon gar nicht hochgeschlossen oder du bist den Job los! Verstanden?“
    Lisa nickte, und er scheuchte sie ungeduldig aus dem Büro. Ihr war elend zumute. Sie verstand nicht, wie sie sich je hatte einbilden können, hier zu Hause zu sein. Die Gäste erschienen ihr primitiv. Ständig musste sie sich gegen zudringliche Kunden wehren, die meinten, als Bedienung sei sie Freiwild. Und immer fühlte sie den drohenden Blick von Giorgio auf sich. Sie war müde und erschöpft, und sie merkte jetzt, wie schwierig es war, so viele Stunden laufen und stehen zu müssen. Heidi war immer guter Laune gewesen, wenn sie bediente, und so hätte Lisa nie vermutet, wie anstrengend die Arbeit sein würde. Heidi machte es anscheinend auch nichts aus, sich immer zweideutige Witze anhören zu müssen. Sie flirtete mit den angeheiterten Männern. Aber Lisa hatte zu viel von ihrem betrunkenen Vater mitbekommen, sie ekelte sich vor Betrunkenen. Sie hatte nicht bemerkt, dass Lydia die Kneipe betreten hatte. So ließ sie fast ihr Tablett mit den Getränken fallen, als diese plötzlich vor ihr stand.
    „Lydia!“ entfuhr es ihr.
    Lydia sah sie schweigend an, dann sagte sie: „Ich wollte sehen, wie es dir geht. Ich dachte, du besuchst mich wenigstens einmal.“
    „Ich hatte keine Zeit“, sagte sie schnippisch.
    „Lisa, so kann es nicht weitergehen. Wir können über alles reden. Willst du nicht zurückkommen?“
    „Nein! Wir haben uns nichts mehr zu sagen und hör verdammt noch mal auf, hinter mir her zu spionieren. Ich will dich nie nie wieder sehen!“ Damit drehte sie sich auf dem Absatz herum und ließ Lydia stehen. Sie ging an einen Tisch, dessen Gäste nach ihr gerufen hatten, und schielte währenddessen in den Spiegel über dem Billardtisch. Lydia wirkte fassungslos. Wie in Trance drehte Lisa sich um. Sie wollte zu Lydia laufen und sich in ihre Arme werfen, sagen, dass sie es nicht so gemeint hatte. Aber in diesem Augenblick gab Lydia sich einen Ruck, wandte sich dem Ausgang zu und hielt dann plötzlich kurz inne. Ihr Blick kreuzte sich mit Haralds, der die Szene beobachtet hatte. Dann verließ sie die Grotte. Lisa konnte ihre Tränen nicht mehr zurückhalten. Sie knallte das Tablett auf den Tresen und verschwand auf die Toilette. Dort ließ sie sich zitternd auf den Toilettendeckel fallen. Jetzt hatte sie Lydia endgültig verloren. Immer wieder rief sie sich die vergangene Szene vor Augen, sah, wie Lydia nach ihrer letzten Bemerkung die Farbe aus dem Gesicht gewichen war. So saß sie zusammengesunken da, bis Greg den Kopf zur Tür herein steckte und rief: „Lisa, ist alles in Ordnung?“ Als Antwort wimmerte sie. Greg kam zur Tür herein und sah sie im offenen Abteil auf dem Deckel sitzen. „He Kleine, der Chef tobt schon. Es wäre besser, du kämst jetzt.“
    Lisa nickte und Greg verschwand. Sie zitterte noch immer stark. Schließlich schleppte sie sich zum Waschbecken und wusch sich das Gesicht mit eiskaltem Wasser. Aus dem Spiegel blickte ihr ein bleiches und aufgedunsenes Gesicht entgegen. Ihre Augen waren stumpf und gerötet vom Weinen. Sie versuchte, sich zusammenzureißen und atmete tief durch. Deprimiert ging sie wieder zur Bar und nahm sich das Tablett. Giorgio raunte böse: „Wenn das noch einmal vorkommt, fliegst du.“ Lisa ließ ihn links liegen. Sie sah nach Harald, aber er war schon gegangen. Für den Rest ihrer Schicht bediente sie wie in Trance, und es kümmerte sie wenig, dass ihr Chef sie grimmig beobachtete. Als sie endlich nach Feierabend nach

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