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verwundet (German Edition)

verwundet (German Edition)

Titel: verwundet (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constanze Kühn
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schüttelte den Kopf. „Wie gesagt, ist Schönheit relativ. Was dem einen gefällt, muss dem anderen noch lange nicht gefallen. Aber Schönheit ist ja auch nicht alles im Leben. Auf die Ausstrahlung kommt es an. Und Schönheit kommt auch von innen. Wenn du nicht immer so ein mürrisches Gesicht ziehen würdest, kämen deine Vorteile viel mehr zu Geltung.“
    „Meine Vorteile?“
    „Natürlich. Du hast sehr weiße, schöne Zähne. Wenn du lächelst, sieht das sehr hübsch aus. Außerdem kommen dann deine Grübchen zum Vorschein. Und schau dir doch mal deine Augen an. Ich habe selten so ausdrucksstarke Augen gesehen, und der Gegensatz zu dem roten Haar ist sehr ungewöhnlich.“
    „Das hat Harald auch gesagt.“
    „Na siehst du. Mir scheint, du hast ein völlig falsches Bild davon, wie du aussiehst.“
    „Aber ich wäre viel lieber blond so wie du.“
    „Ach, wenn man jung ist, möchte man immer das haben, was man nicht hat. Als ich in deinem Alter war, wollte ich unbedingt schwarze Haare haben, weil ich das rassiger fand.“
    „Wirklich?“
    Lydia lachte. „Ja. Kannst du dir das nicht vorstellen? Ich werde dir mal ein Foto zeigen, auf dem man meine schwarz gefärbten Haare sieht. Ich sehe scheußlich darauf aus, aber ich fand mich damals todschick.“ Zusammen lachten sie.
    Dann wurde Lisa urplötzlich ernst, und sie sagte: „Jetzt lachen wir zusammen, und eines Tages werde ich dich wieder verlieren!“
    „Du wirst mich nie verlieren, Lisa. Ich...“
    „Nein, lass nur. Du hast ja neulich selbst gesagt, dass du meiner überdrüssig bist. Es ist also nur noch eine Frage der Zeit, bis ich dich verliere.“ Sie entwand sich aus Lydias Arm und setzte sich auf.
    „Nein Lisa, so habe ich mich nicht ausgedrückt. Ich habe gesagt, dass ich müde sei. Ich bin es müde, mir ständig nur Sorgen zu machen, wo du die Nächte verbringst. Und ich habe ja auch schon versucht, dich loszulassen und dich deiner Wege gehen zu lassen. Aber auch das passte dir nicht. Es macht mich aber kaputt, wenn ich mir ständig Sorgen machen und mit dir dann auch noch herumstreiten muss“
    Lisa fragte mit blitzenden Augen: „Ich mache dich also kaputt?“
    „Nein, auch das habe ich nicht gesagt. Dreh bitte nicht alles so hin, als ob ich dein Feind wäre und dir Böses will.“
    Sie starrten sich an wie Fremde.
    Dann sagte Lydia bedächtig: „Langsam beginne ich zu verstehen. Es läuft immer nach einem bestimmten Muster ab, nicht wahr? Wenn es zwischen uns am Schönsten ist, brichst du irgendeinen Streit vom Zaun, damit du dir bestätigen kannst, dass dich sowieso keiner liebt und du deinerseits keine Gefühle investieren musst.“ Lisa schrie: „Ich, keine Gefühle investieren? Oh verdammt, wie kannst du nur so blind sein? Ich...“ Sie beugte sich über Lydia und küsste sie leidenschaftlich. Lydia, völlig überrumpelt, reagierte nicht. Schließlich jedoch wehrte sie sich, und es gelang ihr, Lisas Handgelenke zu fassen und sie festzuhalten. Voller Scham vermied Lisa es, ihr ins Gesicht zu sehen, und sagte weinerlich: „Ich möchte jetzt in mein Bett.“
    „Lisa, es wird Zeit, dass wir über einiges reden.“
    Lisa schrie: „Wir müssen gar nicht reden. Ich hasse dich! Lass mich jetzt los oder ich schreie!“
    „Lisa, bitte!“
    Aber Lisa gab keine Antwort, sondern versuchte, sich loszureißen. Als Lydia sie nicht freigab, schrie sie wie am Spieß, ihr Gesicht lief puterrot an.
    Lydia ließ sie los. Mit geröteten Wangen stieß sie hervor: „Ist gut, du kannst gehen! Geh!“
    Lisa schwang sich zitternd aus dem Bett und floh in ihr Zimmer. Sie hatte den Eindruck, dass ihr Inneres auseinanderzufallen drohte. Andere Menschen schienen ein Zentrum zu besitzen. Sie hingegen schien aus vielen Einzelheiten zu bestehen, die lose zusammengefügt waren, aber jederzeit bei Erschütterungen auseinander brechen konnten. Sie schien allzeit von Auflösung bedroht. Sie besaß keinen Untergrund, auf dem sie stehen, ja bestehen konnte. Oft fürchtete sie sich vor dem Abgrund in ihrem Inneren, so als könne ein kleiner Fehltritt, und es müsste nicht mal ihr eigener sein, sie zu Fall bringen, und sie würde dann in diese bodenlose Tiefe stürzen. Sie würde ertrinken in diesem Meer von Nichts. Und dieses Mal war es ihre eigene Entgleisung gewesen, die zu ihrem Sturz geführt hatte. Sie hatte Lydia für immer verloren. In ihrer Brust wurde es eng, es war, als würden ihre Lungen zusammenkleben. Panisch schnappte sie nach Luft. Zum Glück ging der

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