verwundet (German Edition)
konnte.
Frau Dr. Dunkelmann sah sie schweigend an. Dann sagte sie: „Fahren Sie bitte fort. Was war mit Herrn Wiebke?“
„Nun ja, er war, ich weiß nicht, wie ich es sagen soll. Er war richtig kaltschnäuzig. Er hat sogar gemeint, dass Lisa den Selbstmordversuch nur vorgetäuscht habe, um mich herumzukriegen, ins Bett, meine ich.“ Sie brach jetzt in Tränen aus. „Ich war so entsetzt, ich wusste gar nicht, was ich sagen sollte, und da habe ich mich umgedreht und bin gegangen.“
„Haben Sie seitdem etwas von ihm gehört?“
„Nein. Aber ich hatte doch gehofft, dass er sich wenigstens bei Ihnen meldet und versucht, Ihnen bei Lisa zu helfen.“
„Weiß er, wo Lisa liegt?“
„Natürlich. Ich hatte ihm ja, als ich ihn nie erreicht habe, einen Brief geschrieben. Als ich weiterhin nichts von ihm hörte, suchte ich ihn in seiner Wohnung auf. Er hatte meinen Brief noch gar nicht geöffnet.“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich weiß auch gar nicht, ob er mich überhaupt geliebt hat.“
Die Ärztin runzelte die Stirn. „Warum zweifeln Sie daran?“
„Ich weiß es nicht. Vielleicht war es nur das Sexuelle. Harald ist sehr...“, sie stockte kurz, „sagen wir, er ist sehr leidenschaftlich.“ Ihr stieg die Röte ins Gesicht, verlegen sah sie die Ärztin an, die ihrem Blick jedoch auswich. „Das war mir oft zu viel. Ich bin nicht so... na ja,... mir liegt nicht so viel an Sex, und er hat mir auch nie gesagt, dass er mich liebt, nur am Anfang einmal, dass er in mich verliebt sei. Und das ist ja nun mal etwas ganz anderes. Ich hätte mich überhaupt nicht auf ihn einlassen sollen.“
„Nun, das ist ja keine Sache des reinen Verstandes. Sie haben doch etwas für ihn empfunden.“
„Vielleicht habe ich mir das nur eingebildet.“
„Das halte ich eher für unwahrscheinlich.“
„Vielleicht war er zu jung für mich. Immerhin ist er zehn Jahre jünger als ich.“
Die Ärztin schüttelte den Kopf. „Ich glaube nicht an Zahlen. Es ist ja nicht so, dass er fünfundzwanzig ist und Sie fünfzig.“
Lydia senkte den Kopf. „Wie dem auch sei. Ich habe mich in ihm geirrt und möchte mit ihm nichts mehr zu tun haben.“ Sie starrte auf ihre Hände. „Wahrscheinlich ist es ihm einfach peinlich, dass er Lisa nicht geholfen hat, sondern ganz im Gegenteil zugesehen und mitgemischt hat in diesen merkwürdigen Kreisen.“
Frau Dr. Dunkelmann hob eine Augenbraue, erwiderte aber nichts.
Lydia seufzte. „Es ist alles so kompliziert. Vielleicht können Sie ihn ja dazu bewegen, Ihnen bei Lisa zu helfen. Ich schreibe Ihnen einfach seine Adresse und Telefonnummer auf. Ich hoffe, dass es Wirkung zeigt, wenn Sie ihn offiziell als Ärztin aus der Klinik anrufen.“ Sie holte einen kleinen Notizblock aus ihrer Tasche, schrieb und reichte ihr den Zettel. „Kann ich sonst noch etwas tun?“
Frau Dr. Dunkelmann schüttelte den Kopf. „Im Augenblick nicht. Aber ich werde mich bestimmt noch öfter an Sie wenden.“
Lydia nickte. „Natürlich. Ich bin froh, wenn ich Lisa helfen kann.“
„Vielen Dank jedenfalls für Ihre Hilfe.“ Die Psychiaterin erhob sich und reichte Lydia die Hand. „Ich werde mich zu gegebener Zeit bei Ihnen melden.“ Als Lydia gegangen war, stand die Ärztin noch lange nachdenklich am Fenster.
*
Als Angelika Harald die Tür öffnete, fiel ihm zuerst ihr distanzierter Gesichtsausdruck auf. Seinem Kuss wich sie aus. Statt einer Begrüßung sagte sie zu ihm: „Ich habe schon den ganzen Tag versucht, dich zu erreichen.“
„Wieso?“
„Komm erst einmal herein.“
Er folgte ihr ins Wohnzimmer stand.
„Kennst du Lisa Stralsund?“ Sie drehte sich abrupt zu ihm um.
Er erstarrte. „Du kennst sie?“
„Ich bin ihre behandelnde Ärztin.“
„Du bist Lisas Ärztin?“ Völlig schockiert ließ er sich in einen Sessel fallen.
„Wusstest du es?“
„Nein verdammt! Was denkst du denn? Ich habe dich für eine praktische Ärztin gehalten, Internistin oder so etwas. Wer kommt denn schon darauf, dass du ein Seelenklempner bist? Und du hast ja auch nichts gesagt.“
„Menschen fühlen sich oft gehemmt, wenn sie hören, welchen Beruf ich habe. Außerdem hast du dich auch nicht näher danach erkundigt.“
„Was hat Lisa dir erzählt?“
„Das ist ja das Problem, sie spricht nicht. Warum hast du dich nie in der Klinik gemeldet? Du wusstest doch von Frau Kaufmann, dass wir auf deine Hilfe angewiesen sind.“
„Blödsinn! Ich kann dir auch nicht mehr sagen, als Lydia dir schon gesagt hat.“ Er
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