verwundet (German Edition)
mal mit jemandem zu sprechen, der diese Arbeit gemacht hat und von ihm herum geführt zu werden.“
„Musst du morgen arbeiten?“
„Nein, ich habe zwei Tage frei. Warum?“
„Ich muss morgen früh Zeitungen austragen. Aber danach könnten wir in den Vogelpark Walsrode fahren.“ Sie lächelte. Warum nicht jetzt?“
Er sah sie vielsagend an.
Sie lachte laut auf. „Sind alle Wölfe so unersättlich?“
„Das kommt auf die Mahlzeit an.“
Als sie wieder in ihrer Wohnung waren, fragte sie ihn. „Hast du Hunger?“
Sie sah seinen Blick und sagte lachend. „Ich meinte jetzt ausnahmsweise einmal wirklich deinen Magen.“
„Dein Lachen ist betörend. Ich werde mir viel Lustiges einfallen lassen müssen, um möglichst oft in den Genuss zu kommen, es zu hören.“ Für einen Augenblick sahen sie sich nur stumm an. Er fuhr fort. „Du hast faszinierende Augen. Manchmal wirken sie wach und durchdringend, manchmal dunkel“, er grinste, „vor allem im Bett, ein anderes Mal wieder schaust du geheimnisvoll so wie jetzt eben.“ Unter Küssen murmelte er: „Frau Doktor. Ich muss mal wieder eine Leibesvisitation vornehmen. Ausziehen!“
Er erwachte mitten in der Nacht, weil er Hunger hatte. Er ging in die Küche, suchte nach Brot und belegte es mit Käse. Ich muss mir einen anderen Job suchen, dachte er, dieses frühe Aufstehen ist ätzend. Am Morgen schlief sie noch. Er suchte nach einem Zettel und schrieb. Bin etwa um neun wieder hier. Bringe Brötchen mit. Dein ewig hungriger Wolf
Kurz nach neun stand er wieder vor ihrer Tür. Er war noch zu Hause gewesen, hatte geduscht und sich frische Kleidung angezogen. „Schade, ich dachte ich treffe dich noch im Bett an. Nun musst du dich wieder ausziehen.“
Sie lachte. „Du lebst anscheinend wirklich nur von Luft und Liebe.“
Er zeigte auf die Brötchentüte. „Nicht ganz. Außerdem war ich gestern Nacht an deinem Kühlschrank.“
„Ich habe es gesehen. Komm, der Tisch ist schon gedeckt.“
Beim Frühstück musterte er ihren dunkelbraunen Rollkragenpullover und ihre hellbraune Hose. „Du bist eine tolle Frau! Weißt du das? Dein Mann ist ein Schwachkopf. Warum ist er weggegangen?“
„Oh, ich habe ihn verlassen. Daraufhin nahm er die Stelle in Marburg an.“
„Wie war er?“
„Nett.“
Er runzelte die Stirn. „Hört sich nach Langeweile an.“
„Er hatte sich irgendwie in seinem geregelten Leben eingerichtet, traf sich immer mit denselben Leuten...“
„Die wahrscheinlich auch langweilig waren.“
„Keine Offenheit für Neues, keine Experimente, keine neuen Leute ins Leben lassen. Wir passten einfach nicht zusammen. Zu früh gebunden würde ich sagen.“
„Deine Kinder sehen das sicher anders.“
„Über sie bin ich glücklich, sie sind das Beste aus der Ehe.“
„Was studieren sie?“
„Kai studiert Theaterwissenschaft und Svenja Medizin. Warum hast du kein Abitur?“
„Ich hatte ständig Zoff mit meinem Alten. Ich hatte schon immer meinen eigenen Kopf. Der passte nur leider nicht zu seinem.“
„Wollte er, dass du zur Armee gehst?“
„Unter anderem. Er machte ständig Druck, nichts war ihm gut genug, was ich auch machte. Da war ich es irgendwann leid.“
„Schade. Du bist ein heller Kopf.“
„Man kommt auch ohne Studium durchs Leben. Wolltest du, dass deine Kinder studieren?“
„Natürlich wünscht man sich das. Aber ich habe die Entscheidung ihnen überlassen. Druck bringt überhaupt nichts, wie man an dir sieht. Wie versteht Ihr euch heute?“
„Gar nicht. Manche Dinge ändern sich nie. Wollen wir los?“
Sie räumten ab und verließen das Haus. Harald, der nicht wollte, dass sie noch mehr über seine Vergangenheit fragte, erzählte ihr von seiner Lehre beim Zoo. „Wir mussten natürlich alle Tiergehege und Anlagen für mehrere Wochen durchlaufen. Aber ich habe mich schon immer für Vögel interessiert. Also war ich am liebsten bei ihnen. Im Gehege gab es einen Papagei, dem Ralf, ein älterer Kollege, das Sprechen beibrachte. Eines Tages hielt mein Vorgesetzter uns Lehrlingen einen Vortrag und mittendrin rief der Papagei Quatschkopf, Quatschkopf und stieß dann ein meckerndes Geräusch aus, das wie Gelächter klang.“
Angelika lachte herzlich. „Wie hat er reagiert?“
„Er zog ein indigniertes Gesicht.“
„Er hat nicht gelacht?“
„Nein. Er war beleidigt.“
„Du verkohlst mich doch jetzt?“
„Nein.“ Harald lachte bei der Erinnerung. „Wir merkten das natürlich und hatten äußerste Mühe, uns
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