verwundet (German Edition)
etwas über sie zu erzählen, was mir vielleicht helfen könnte.“
„Wieso sollte ich mich um sie kümmern? Ist sie meine Schwester, oder was?“
Angelika sah ihn forschend an. „Was ist sie denn für dich?“
„Eine flüchtige Bekannte. Und ich kann mich nicht um jeden kümmern, der mir über den Weg läuft. Ich bin schließlich kein Seelenklempner. Außerdem hat dir doch Lydia sicher alles schon erzählt.“
„Sie sagt, du wüsstest mehr.“
„Ja, das sagt sie. Sie hat mich nämlich schon genauso verurteilt, wie du das jetzt tust.“ Er nahm sich seinen Anorak und ging, ohne sie noch einmal anzusehen.
*
Am nächsten Morgen, es war halb neun, stand Harald zum zweiten Mal vor der Psychiatrie. Er holte tief Luft, bevor er klingelte. Eine Schwester öffnete die Tür, und er fragte nach Lisa Stralsund. Die Schwester ließ ihn herein, bat ihn um seinen Namen und führte ihn dann in einen Wartebereich. Musste ausgerechnet Angelika Lisas Ärztin sein? Ausgerechnet sie. Er war unglaublich wütend auf sie und hatte sich geschworen, sie nicht mehr wieder zu sehen und auch nicht in die Klinik zu Lisa zu gehen.
Jemand berührte ihn am Arm. Er zuckte zusammen und drehte sich um. Er musterte ihren weißen Kittel und ihr Namensschild. Dr. Angelika Dunkelmann - Neurologie und Psychiatrie . Er hatte Mühe, diese Ärztin mit der leidenschaftlichen Frau in Zusammenhang zu bringen, mit der er sich im Bett gewälzt hatte. „Ich wollte eigentlich zu Lisa.“
„Es tut mir leid, Harald. Ich kann dich nicht zu ihr lassen.“
„Ich dachte, du legst so viel Wert auf mein Kommen.“
„Wollen wir das wirklich hier besprechen?“
Er folgte ihr in ihr Zimmer. Sie bot ihm einen Platz an, doch er zog es vor, zu stehen. „Wieso darf ich nicht zu ihr?“
„Sie befindet sich in einem sehr schlechten Zustand und braucht Ruhe.“
„Ruhe vor mir?“
„Niemand darf zu ihr.“
„Dann kann ich ja wieder gehen.“
„Harald, bitte. Ich wäre dir dankbar, wenn du mir ein wenig mehr über sie erzählen könntest.“
„Was willst du noch wissen?“
„Zum Beispiel, wo und wann du sie kennengelernt hast.“
„In meiner Straße gibt es eine Kneipe. Dort habe ich sie ein paar Mal gesehen. Eines Abends suchte sie eine Übernachtungsmöglichkeit. Sie hatte Zoff mit Lydia und wollte bei mir schlafen.“
„Wolltest du mit ihr schlafen?“
Seine Stirn rötete sich. „Ich mag zwar triebhaft sein, aber ich ficke keine kleinen Mädchen.“
„Sie ist kein kleines Mädchen, Harald.“
„Für mich schon.“
„Wie ging der Abend weiter?“
„Sie legte einen Striptease hin, um mich herumzukriegen.“
„Und?“
„Wie du ja inzwischen selbst wissen solltest, stehe ich auf Frauen mit Erfahrung im Bett.“
„Nachdem, was Frau Kaufmann mir erzählt hat, kann man bei ihr ja wohl von Erfahrung ausgehen. Wie kam sie dir vor? Ich meine, fandest du es normal, dass sie mit einem wildfremden Mann mitgeht und mit ihm die Nacht verbringen will?“
„Du hast mich ja auch mitgenommen. Oder sollte dir das entfallen sein?“
„Ich bin eine erwachsene Frau.“
„Ach, ich denke, sie ist auch kein kleines Mädchen mehr.“
„Du weißt genau, was ich meine Harald. Und lass uns bitte Beruf und Privatleben trennen!“
„Wenn du das nur tun würdest“, bellte er. „Ich habe dich als Frau kennengelernt und nicht als Ärztin. Und jetzt bist du kalt wie ein Fisch, nur weil sich herausgestellt hat, dass ich zufällig Lisa kenne.“
„Ich brauche diese Distanz, um objektiv sein zu können.“
„Papperlapapp! Du bist längst nicht mehr objektiv. Erst vergnügst du dich mit mir im Bett, und jetzt stellst du mich als einen Schwerverbrecher da. Normalerweise sagt man, Männer seien gefühlskalt und würden Frauen nur benutzen.“
„Ich glaube kaum, dass man hier von benutzen sprechen kann. Ganz im Gegenteil, ich hatte das Gefühl, dass es dir sehr viel Spaß gemacht hat, mit mir zu schlafen.“
Mit süffisantem Grinsen sagte er: „Ja, du bist schon eine tolle Nummer.“
Ihre Ohrfeige war kräftig. Verblüfft rieb er sich die Wange.
Ihre Stimme und Miene waren eisig, als sie sagte: „Es ist besser, wenn du jetzt gehst.“
*
Schon eine Weile trug Frau Dr. Dunkelmann eine Idee mit sich herum, von der sie nicht wusste, ob sie gut war. Es fiel ihr nicht leicht, aber sie sah keine andere Möglichkeit mehr. Sie ließ Lisa zu sich bringen. Als diese ihr gegenüber saß, holte sie ein Kassettengerät hervor und spielte Lisa die Aufnahmen
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