Verwunschen
schwanzwedelnd vor ihr stand.
»Was machen wir mit ihr? Wenn wir klettern müssen, dann ist das nichts für sie.«
Patrick zuckte mit den Schultern. »Dann muss sie eben hier im Haus bleiben.«
»Das wird ihr gar nicht gefallen«, prophezeite Mona, die die widerstrebende Hündin ins Haus schob und schnell die Tür schloss. Und richtig. Ceras klägliches Jaulen folgte ihnen, bis sie den Garten hinter sich gelassen hatten.
Kaum eine halbe Stunde später standen sie wieder im Burghof und sahen Kylah erwartungsvoll an.
»Also dann kommt«, forderte sie die Zwillinge auf. Im Gegensatz zu den beiden trug sie noch immer ihren knielangen bunten Rock. Allerdings hatte sie wenigstens ihre alten Stoffturnschuhe mit einem Paar Ringelsocken etwas höhlentauglicher gemacht. Forsch passierte sie den inneren Mauerring und ging auf den Turm zu, in dem früher – auf mehreren Stockwerken verteilt – die ganze Familie des Burgherrn und auch die Wächter und Dienstboten der Burg gewohnt hatten. Die Zwillinge wussten aus Erzählungen ihrer Großmutter, dass solche Burganlagen erst im Laufe der Jahre um eine große Halle und einige kleinere Gebäude ergänzt und von einer weiteren Mauer umschlossen wurden.
Die Geschwister folgten Kylah durch einen Zugang in den Turm. Ihre Großmutter hatte ihnen alles über Ashford Castle erzählt: Ursprünglich hatte der Eingang zum Turm ein Stockwerk höher gelegen und war nur durch eine außen angefügte hölzerne Treppe zu erreichen gewesen, die man im Notfall, wenn man angegriffen wurde, entfernen konnte. Doch auch später hatten sich die Verteidiger des Turms so einiges einfallen lassen, ihren Angreifern das Leben schwerzumachen. Direkt hinter der eisenbeschlagenen Tür war ein Spalt in der Decke, durch den Bogenschützen Pfeile herabschießen oder heißes Öl hinunterschütten konnten. Die Wendeltreppe wand sich, wie in allen Burgen, im Uhrzeigersinn hinauf, sodass die Verteidiger von oben mit dem Schwert in der rechten Hand besser kämpfen konnten als die Angreifer von unten. Außerdem waren die Treppenstufen absichtlich ungleichmäßig, um die Angreifer zum Stolpern zu bringen. Die Bewohner hingegen wussten, welche der Stufen ein wenig höher oder schmaler waren.
Doch Kylah führte die Zwillinge nicht in den Turm hinauf, von dem drei Stockwerke noch standen. Sie passierte den ehemaligen Lagerraum bis in die hintere Ecke, wo eine schmale Steintreppe in der Finsternis verschwand. Patrick knipste seine Taschenlampe an und ließ den Lichtschein über die Stufen wandern.
»Da hinunter?«, erkundigte sich Mona und hoffte, dass ihre Stimme fest klang.
Kylah nickte. »Ja, wir steigen in den Keller und von dort in die Höhle hinunter.«
»Also dann los!«, sagte Mona betont munter und schaltete auch ihre Lampe ein. Sie bemühte sich, dicht hinter Kylah zu bleiben, aber das war nicht so einfach. Das Mädchen lief flink die unebenen Stufen hinunter und drohte immer wieder den beiden Lichtkegeln zu entwischen und in der Dunkelheit zu verschwinden.
»Kylah, langsamer!«, rief Patrick. »Wenn wir so rennen, stolpern wir über den nächsten Steinblock.«
Kylah wandte sich grinsend zu ihnen um. »Was? Ihr habt doch die Lampen.«
»Trotzdem«, beharrte Patrick. »Wir kennen uns hier unten nicht aus, und es wäre unvernünftig, wenn wir riskieren, zu stürzen.«
Mona war mächtig stolz auf ihren Bruder. Wie erwachsen er klang. Und so nickte Kylah und wartete, bis die Zwillinge das Ende der Kellertreppe erreichten und zu ihr traten. Patrick ließ den Lichtschein von dem unebenen Steinboden über die aus dicken Quadern gemauerten Wände zur gewölbten Decke wandern. Es war kalt hier unten, feucht und seltsam still. Mona fröstelte. Außer ein paar alten Weinfässern, die nebeneinander in drei Nischen lagen und größer waren als die Kinder, war nichts Spannendes zu sehen.
»Und wie jetzt weiter?«, wollte Patrick wissen, dessen Lichtkegel weder einen Durchgang noch eine Tür hatte ausmachen können.
Zielstrebig wandte sich Kylah der letzten Nische zu und quetschte sich zwischen Wand und Fass. Mona und Patrick folgten ihr. Die Engstelle war nur knapp einen Meter breit. Dahinter jedoch, im Schatten des Fasses, wich die Seitenwand ein Stück zurück und ließ einen engen, niedrigen Durchgang frei. Kylah bückte sich darunter hindurch. Mona drängte sich hinter ihr. Sie gelangten in einen gemauerten Gang, in dem sie gerade einmal aufrecht gehen konnten.
»Weißt du auch, wo der hinführt?«, fragte
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