Verwunschen
sie das Haus verließ, die Vordertür unverschlossen gelassen. Mona starrte grimmig auf ihren leeren Teller. Es würde einiges zu klären geben! Später. Wenn sie von ihrem Besuch im Krankenhaus zurück sein würden.
Sie fanden Kylah beim Zaumzeugflicken auf der sonnenbeschienenen Schwelle vor dem Cottage sitzen. Das gescheckte Pony graste in der Nähe. Die anderen Pferde konnten sie nicht entdecken und auch Kylahs Großvater und ihr jüngerer Bruder waren nirgends zu sehen. Es war bereits Nachmittag, als die Zwillinge von ihrem Besuch im Krankenhaus zurückkehrten und sich auf den Weg zu den Stallungen aufmachten. Grand Myrna ging es schon wieder richtig gut. Allerdings durfte sie das Bein noch nicht belasten und hatte mit den beiden Krücken noch so ihre Schwierigkeiten. Die Zwillinge hatten darauf verzichtet, ihr von den nächtlichen Ereignissen zu erzählen, deren Schrecken im Laufe des Tages immer mehr verblassten. Sie wollten Myrna nicht beunruhigen. Nun aber, als sie vor Kylah standen, die sie mit Unschuldsmiene ansah, kehrten die Erinnerungen zurück, nur dass sie jetzt eher Zorn als Angst auslösten.
»Da seid ihr ja endlich«, begrüßte Kylah sie arglos. »Wart ihr im Krankenhaus?«
»Ja, Grand Myrna geht es wieder ganz gut, aber das ist es nicht, worüber wir mit dir sprechen wollen!«
»Nein, uns interessiert etwas anderes«, ergänzte Patrick.
Kylah hob die Brauen. »Das klingt so ernst. Ist etwas passiert?«
»Das müsstest du ja am besten wissen«, gab Patrick kampflustig zurück.
»Ich? Wie kommst du darauf?« Kylah wandte sich wieder ihrem Zaumzeug zu. »Was für eine Laus ist dir denn über die Leber gelaufen? Du hast wohl schlecht geschlafen.«
Patrick stürzte sich geradezu auf ihre letzten Worte. »Ja, schlecht geschlafen, das kann man sagen. Es war auch eine sehr unruhige Nacht, aber das sollte dich ja nicht wundern!«
Kylah hielt in der Bewegung inne und sah ihn fragend an. »Wie meinst du das? Ich habe vielleicht geahnt, dass etwas geschehen könnte, ja, das ist richtig. Doch erzählt, was genau ist heute Nacht geschehen?«
Mona schwankte. Entweder spielte Kylah hier eine oscarreife Rolle oder sie wusste wirklich nichts von all dem. Sollten sie ihren Verdacht wirklich aussprechen? Und was war, wenn sie ihnen nur einen Schreck hatte einjagen wollen? Sie zögerte, doch Patrick hatte keine Schwierigkeiten, den Vorwurf auszusprechen.
»Was? Ihr beschuldigt mich, heute Nacht über den Keller ins Haus eingedrungen zu sein? Spinnt ihr? Wozu denn, um die Gelegenheit zu nutzen, solange Mrs O’Connor im Krankenhaus ist, ihr die Kronjuwelen zu stehlen?«
»Nein! Das denken wir ja gar nicht«, widersprach Mona rasch, der die Kränkung in Kylahs Miene echt erschien. »Wir vermuten, dass du uns einen Schrecken einjagen wolltest, weil wir deine Geschichte von den Magischen nicht glauben.«
Kylah hob die Sattlernadel, als wollte sie den Geschwistern damit drohen. »Pah, was für ein Aufwand, um ein paar doofe Feiglinge zu erschrecken!«, fauchte sie. »Glaubt mir, das muss ich gar nicht! Das, ihr Blödies, übernehmen die Magischen schon selbst!«
Patrick stöhnte. »Ich habe es geahnt. Jetzt kommt sie wieder mit ihren Wesen, die wir nicht sehen können. Eine feine Geschichte. Doch sage mir, wie kommt es, dass du so gut über sie Bescheid weißt, wir aber noch keinen von ihnen entdecken konnten?«
»Weil sie für euch eben UN - SICHT - BAR sind«, wiederholte Kylah, als wären sie taub oder schwer von Begriff.
»Aber du bist auserwählt, sie zu sehen«, fuhr Patrick in so spöttischem Ton fort, dass niemand auf die Idee kommen konnte, er würde ihr glauben.
Mona erwartete einen Wutausbruch, doch Kylah sagte nur schlicht: »Ja. Sie haben mich auserwählt und zur Quelle der Sehenden geführt.«
P atrick starrte sie an. »Du solltest Romane schreiben«, sagte er unbeeindruckt. »Vielleicht fallen ja andere auf diesen hirnverbrannten Blödsinn rein und lassen sich von diesem Unsinn überzeugen. Ich jedenfalls bleibe dabei: Was ich nicht sehen kann, das gibt es auch nicht.«
Kylah verdrehte die Augen. »Was für eine vernünftige Einstellung. Doch dann sage mir, wie erklärst du dir, was heute Nacht vorgefallen ist – was immer es auch gewesen sein mag –, ohne mich als praktischen Sündenbock, denn ich schwöre euch beim Grab meiner Mutter, ich bin heute Nacht nicht einmal in die Nähe von Mrs O’Connors Haus gekommen.«
Mona begann in ihrer Überzeugung zu schwanken. Konnte das
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