Verwunschen
üblicherweise zu rechnen hatte.
»Danke, Brock«, sagte Kylah und streckte ihm ihre gefesselten Hände entgegen. »Du hast dich richtig entschieden.«
»Da bin ich mir nicht so sicher«, murmelte das Männchen. Er zog eine kleine Klinge aus der Tasche seines Kittels und schob sie Kylah hin.
»Beeilt euch«, riet er. »Ihr müsst verschwunden sein, ehe die Elfen aus dem Moor zurückkehren.«
»Und die Gnome?«, erkundigte sich Patrick.
»Sie werden euch nicht aufhalten, solange sie keinen Befehl dazu erhalten«, versicherte Carraig und wollte sich mit Brock davonmachen.
»Halt!«, rief Kylah. »Wie sollen wir ohne euch aus diesem Labyrinth herausfinden? Ihr müsst uns führen!«
Brock hob abwehrend die Hände. »Auf keinen Fall! Da könnte ich mich gleich der Banshee zum Fraß vorwerfen. Nein, ich habe schon mehr getan, als gut für mich ist.«
»Dann brauchen wir auch dein Messer nicht«, gab Kylah zurück. »Was hilft es, wenn du uns allein durch die Höhlen irren lässt, bis wir verdurstet sind oder die Elfen uns wieder eingefangen haben?«
Mit einem Seufzer kam Brock wieder näher. Er nahm Kylah das Messer aus der Hand und kauerte sich vor der Schilfmatratze nieder. Mit flinken Bewegungen begann er Linien und Kreise in den Lehm auf dem Boden der Höhlen zu ritzen.
»Ihr seid jetzt hier.« Er pikte in den Lehm. »Folgt diesem Durchgang, quert den großen Dom und wendet euch nach links, dann geht durch die schmale Spalte, die in einen breiten Gang mündet. Nach den großen Blöcken nehmt den ansteigenden Gang, durchquert zwei kleine Kavernen und geht dann hier schräg nach links. Es geht steil hinauf und wird immer schmaler, bis der Gang in eine Höhle mündet. Nehmt den engen Durchlass ungefähr in der Mitte und wendet euch nach rechts. Dann trefft ihr auf das alte Hauptbett des Höhlenflusses, das euch den Weg nach draußen weist. Von dort müsstest du den Rückweg kennen.«
Die drei starrten auf die Karte, die der Kobold gezeichnet hatte. Während die Zwillinge noch versuchten, sich das Bild genau einzuprägen, nickte Kylah bereits. »Ja, das müssten wir schaffen. Ich danke dir.«
Brock nickte. »Ich kann nur hoffen, dass mein Preis dafür nicht zu hoch sein wird.«
»Und wir hoffen, dass dieses Missverständnis bald gelöst wird, das zwischen den Magischen und den O’Conners steht«, meinte Kylah.
»Missverständnis? Oh nein! Seit Generationen wurde der Vertrag nie angetastet und immer geachtet. Das ist kein Missverständnis, das man so einfach ausräumen könnte. Das ist Verrat!«
»Welcher Vertrag?«, hakte Mona nach.
»Jener, der von den ersten O’Conners geschlossen wurde, als die Magischen ihnen gestatteten, sich hier niederzulassen, und der seitdem von jeder Generation bekräftigt wurde. Euer Großvater hat ihn als Letzter unterzeichnet. Seht selbst nach, wenn ihr mir nicht glaubt.«
»Und wo finden wir diesen Vertrag?«, drängte Patrick.
»In dem großen Buch der Magie natürlich, das er immer in Ehren gehalten hat. Lest selbst, was passiert, wenn die Menschen und die Magischen sich nicht mehr vertrauen können. Es gibt Geschichten über die Zeit der großen Kriege, die euch die Haare zu Berge stehen lassen werden! Wenn die Herrscherin über alle Magischen den Menschen den Fehdehandschuh hinwirft, dann kann nur sie selbst ihn wieder zurücknehmen. Es stehen uns finstere Zeiten bevor.«
»Aber das muss sich doch alles irgendwie klären lassen, ohne dass es zu einem großen Krieg kommt«, rief Kylah, doch der Kobold war bereits verschwunden. Und auch von Carraig war nichts mehr zu sehen.
Die Kinder machten sich rasch daran, die Fesseln zu zerschneiden. Die Reste steckten sie in den Rucksack. Sollten die Elfen ruhig ein wenig rätseln, wie ihnen ihre Flucht gelungen sein konnte. – Wenn sie ihnen dieses Mal überhaupt glückte!
Kylah warf einen letzten Blick auf die Striche und Punkte im Lehm, ehe sie die Karte verwischte. Sie drehte sich einmal um sich selbst und ging dann zielstrebig auf den Gang zu, den Brock von der Höhle aus eingezeichnet hatte.
»Passt auf, dass ihr im Lehm keine Spuren zurücklasst. Haltet euch auf den Felsplatten«, mahnte sie die Zwillinge.
Es dauerte nicht lange und sie erreichten die große Höhle mit der weit gespannten Decke, die Brock als Dom bezeichnet hatte. Suchend strichen sie an der Wand entlang, bis sie den Durchlass fanden, der sie auf ihren Weg in die Freiheit führen sollte.
»Noch sind wir richtig«, stellte Patrick fest.
Mona
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