Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verzaubert

Verzaubert

Titel: Verzaubert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Resnick
Vom Netzwerk:
vorhatte, und wich zurück. »Können Sie Schlösser knacken?«
    »Nicht direkt.«
    Er schloss die Augen und holte einige Male tief Luft, als bereite er sich darauf vor, zu meditieren. Dann nahm er eine andächtige Haltung ein, senkte den Kopf, presste die Handflächen aneinander und berührte mit den Fingerspitzen die Lippen. Er murmelte etwas, das ich nicht verstand, öffnete die Augen und starrte eindringlich auf das Schloss. Anschließend machte er mit seinen Handgelenken eine rasche Drehbewegung – und das Vorhängeschloss sprang auf, als hätte jemand den Schlüssel hineingesteckt und umgedreht. Ich hielt den Atem an.
    Max breitete in einer anmutigen Geste die Arme aus, gleichzeitig glitt die Kette wie eine Schlange zur Seite, fiel herunter und blieb auf dem Boden liegen. Max zog die Arme an seine Brust, und die Türen schwangen auf, als würden wir willkommen geheißen.
    Mein Blut gefror zu Eis.
    Max ergriff meinen Arm. »Sie zittern«, stellte er überrascht fest.
    »W… w… wie …«
    »Wo wird die Glaskiste aufbewahrt?«
    »Requisitenraum«, brachte ich hervor. Mit Pudding in den Knien ging ich voran.
    Auch diese Tür war natürlich verschlossen. Doch Max öffnete sie mit einem Handwedeln. Mir wurde übel. Vor lauter Schreck zu keinem klaren Gedanken fähig, folgte ich ihm in den Raum.
    »Ist sie das?«, fragte Max und untersuchte die Glaskiste.
    Ich nickte und starrte ihn an.
    »Auf den ersten Blick scheint sie nichts Ungewöhnliches an sich zu haben. Sie könnte jedoch von einem Anti-Divinations-Schutzschild umgeben sein. Von solchen Dingen habe ich schon gehört.«
    Ich musste mich hinsetzen.
    Max atmete tief durch, murmelte und gestikulierte wieder – aber nichts passierte. Er wirkte verlegen. »Feuer ist mein schwächstes Element«, gestand er. »Ich versuche es noch einmal.«
    Dieses Mal begannen die Glasseiten der Kiste vor meinen Augen zu schmelzen und sich nach innen zu wölben. Als Max fertig war, hatte sich das Requisit in ein verschmortes Trauerspiel aus verbogenem Glas und Metall verwandelt.
    »Hm, das ist mir wohl recht gut gelungen.« Er klang zufrieden. »Wollen wir gehen?«
    »Warten Sie.« Meine Stimme war schwach. »Max,
wer sind Sie?
«

[home]
4
    S hakespeare hat einmal gesagt:
Es gibt mehr Ding’
im Himmel und auf Erden, als Eure Schulweisheit sich träumt …
und einem Dramatiker sollte ich wohl kaum widersprechen.
    Diese Beobachtung über den Kosmos legt er Hamlet gegenüber seinem Freund Horatio in den Mund, der nicht glauben will, dass der Geist von Hamlets Vater Elsinore heimsucht. Jetzt verstand ich, wie sich Horatio gefühlt haben muss, als er den Geist dann mit eigenen Augen sah.
    Während Max entschied, dass wir am besten zu ihm nach Hause gehen sollten, redete ich nur wirres Zeug. Zu sagen, ich sei bloß geschockt gewesen, wäre in etwa so, als würde man das Entfernen aller vier Weisheitszähne ohne Narkose als lästig bezeichnen. Mein Verstand weigerte sich, zu glauben, was ich gesehen hatte, und ich war völlig durcheinander (aber dafür sehr redselig). Immer aufs Neue kniff ich die Augen fest zu, riss sie wieder auf und schielte dann zur Seite auf Max, um zu prüfen, ob er wirklich da war. Etliche Male blieb ich auf dem Bürgersteig stehen und schüttelte wie verrückt meinen Kopf, als könne ich dadurch einen klaren Gedanken fassen.
    Max sagte leise, dass die Leute uns schon anstarrten, und fügte hinzu: »Aber das liegt vermutlich daran, dass Sie noch diese Glitzervögel auf dem Kopf haben.«
    Abgesehen von dieser Bemerkung, schwieg er den ganzen Weg über, so dass ich ihn schließlich anfuhr: »Wieso sagen Sie eigentlich nichts?« Ich war absolut wütend, ohne recht zu wissen, weshalb.
    »Meine Erfahrung lehrt mich, dass es besser ist, abzuwarten, bis Sie diese unangenehme Überraschung akzeptiert haben – und erst dann eine vernünftige Kommunikation zu versuchen.«
    »Ihre Erfahrung … Unangenehme Überraschung?« Meine Stimme überschlug sich, aber ich war nicht in der Lage, sie zu kontrollieren. »Passiert Ihnen das etwa öfter?«
    »Eigentlich nicht. Ich versuche, alles Irdische aus meiner Arbeit herauszu–«
    »Alles
Irdische?
«
    »Sehen Sie, genau aus diesem Grund.«
    »Welchem Grund?«, kreischte ich.
    »Die meisten Menschen beunruhigt es, wenn sie mit den Wahrheiten des komplexen Kosmos konfrontiert werden.«
    Ich packte Max am Kragen.
    »Esther, bitte, keine Gewalt!«, keuchte er.
    Plötzlich wurde mir klar, was ich da tat. »Oh!« Ich ließ

Weitere Kostenlose Bücher