Verzaubert
auftauchen, habe ich keine Handhabe für eine Laboruntersuchung. Außerdem ist es eher eine Warnung als eine Drohung.«
»Sollte mich das beruhigen?«
»Wahrscheinlich stammt der Brief von einem abergläubischen Fan oder einem religiösen Fanatiker – jemand, der davon überzeugt ist, Golly Gee habe sich tatsächlich in Luft aufgelöst und jeder andere, der diesen Trick durchführt, werde ebenfalls von der Bildfläche verschwinden.«
»Sie waren mir eine große Hilfe, Detective«, sagte ich schnippisch, stopfte den Brief in die Handtasche und wandte mich zum Gehen.
»Äh, Miss Diamond?«
»Was?«, fragte ich über meine Schulter hinweg.
»Falls die Show wieder aufgeführt wird …«
»Ja?«
Er zögerte. Dann senkte er seine pechschwarzen Wimpern über die tiefblauen Augen und sagte: »Ich würde gern hinkommen und Sie darin sehen.«
»Na, in dem Fall reservieren Sie am besten eine Karte«, antwortete ich und ging.
Ich kehrte ins Theater zurück, denn mit Ensemble und Orchester war ein Probedurchlauf angesetzt. Ohne Joe fiel die Probe jedoch ziemlich kurz aus. Das anschließende Treffen der Schauspielergewerkschafter verließ ich trotz der schiefen Blicke früh. Ich ging zu Joes Wohnung. Er und Matilda bewohnten die ganze zweite Etage eines schönen Altbau-Reihenhauses an der Upper West Side. Es war allgemein bekannt, dass es das Geld seiner Frau war, von dem sie sich diesen Luxus leisteten. Joe war nicht gerade ein erfolgreicher Zauberer, nur seine kürzlich geschlossene zweite Ehe mit einer ehrgeizigen Produzentin hatte ihm zu einer Chance wie
Der Hexenmeister
verholfen. Genauso wie ich hoffte er, dass die Show in der ersten Spielzeit erfolgreich genug war, um in einem der großen Broadway-Theater zu landen, wo wir wesentlich mehr Beachtung durch die Medien finden würden.
Sein Verhalten überraschte mich also. Joe war zwar neurotisch, aber ich wusste, wie viel diese Show für seine Karriere bedeutete. Wenn er diese Gelegenheit verpatzte – und unsere Investoren dadurch eine Menge Geld verloren –, würde er die nächsten dreißig Jahre nur noch auf Geburtstagspartys und Mittelalterfesten auftreten. Vorausgesetzt, dass ich ihn nicht vorher erwürgte. Gollys Verschwinden war meine große Chance, und ein Kaninchen aus dem Hut zaubernder Neurotiker würde sie mir garantiert nicht ruinieren. Ich musste mit Joe reden! Bestimmt konnte ich zu ihm durchdringen und ihn davon überzeugen, wieder aufzutreten. Und falls vernünftige Argumente nicht halfen, würde ich ihm klarmachen, dass alles, wovor er sich auf der Bühne fürchtete, nichts im Vergleich zu dem war, was ich ihm antäte, wenn er die Show einstellte.
Als ich bei Joe eintraf, war auf den ersten Blick erkennbar, wie dringend hier jemand Außenstehendes gebraucht wurde. Kein Wunder, dass Matilda keine Fortschritte erzielte. Weshalb schaffen es Ehepartner eigentlich immer, sich gegenseitig in den Wahnsinn zu treiben?
»Darling, Esther ist hier«, zwitscherte Matilda, während sie mich in den Eingangsbereich ließ. Dann wandte sie sich mir zu und flüsterte so laut, dass man es wahrscheinlich bis Cleveland hören konnte: »Versuche bitte, ihn nicht aufzuregen. Diese Geschichte hat ihm sehr zugesetzt.«
»Was du nicht sagst«, murmelte ich.
»Welche Geschichte?«, brüllte Joe von irgendwo aus der Wohnung.
»Wieso kommst du nicht erst mal her und sagst Esther hallo, Darling?«
»Nein!
Welche
Geschichte?«
»Seit Samstagabend ist er jetzt schon so«, sagte sie gut vernehmbar an mich gewandt.
»Schon wie?«, rief Joe. »
Wie
bin ich?«
Zum Glück klingelte das Telefon. Joes Frau ging an den Apparat, die Kämpfer zogen sich in ihre neutralen Ecken zurück. Doch nur einen Augenblick später kam Matilda wieder angeschossen, und dieses Mal hatte sie es auch auf mich abgesehen.
»Darling, es ist jemand von Magic Magnus’ Fachgeschäft für Zaubereibedarf«, schrie sie den Flur hinab. »Die Glaskiste – du weißt schon, die, die Esther zertrümmert und aufgebrochen hat –, sie ist fertig und kann abgeholt werden. Ist das nicht wunderbar, Darling? Du kannst schon morgen wieder damit proben!«
Während Joe dies lautstark und nachdrücklich ablehnte, wandte sich Matilda mir zu und bemerkte: »Die Reparatur hat ein Vermögen gekostet, Esther.«
»Aha.«
»Beträchtlich mehr als deine Gage.«
»Das glaube ich gern.«
Sie warf mir einen finsteren Blick zu und rief dann: »Soll ich ihnen sagen, dass du vorbeikommst, Darling?«
Ich glaubte
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