Verzaubert
nur ein bisschen reden«, sagte er und strich Frischkäse auf seinen Bagel. »Nur Sie und ich. Ganz inoffiziell.«
»
Deshalb
sehen Sie heute irgendwie anders aus«, sagte ich. Das Koffein drang allmählich in meine Gehirnzellen. Bisher hatte ich ihn nur in seiner Detective-Kleidung gesehen – gepflegte, leicht konservative Anzüge, die kostenbewusst, aber gut gearbeitet wirkten. Heute trug er Jeans, Jeansjacke und ein T-Shirt, das fast denselben Blauton wie seine Augen hatte. »Sie sind nicht wie für die Arbeit angezogen.«
»Mein Dienst fängt heute erst um vier an.«
»Worüber möchten Sie denn reden?«, fragte ich argwöhnisch.
»Essen Sie erst mal was«, schlug er vor. »Sie wirken ein wenig gereizt.«
»Ich habe nur drei Stunden geschlafen – schätzungsweise.«
»Dann bin ich aber erleichtert.« Er sah mich an. »Dass Sie morgens nicht immer so sind, meine ich. Sind Sie doch nicht, oder?«
»Humph.« Ich biss in meinen Bagel.
Er sah sich um. Die Küche war beinahe groß genug für den Esstisch, an dem vier Personen Platz fanden. Die Küche (und der Tisch) gingen über ins Wohnzimmer, die beiden Räume waren zum Teil durch eine Theke getrennt. Vom Wohnzimmer kam man ins Bad, das von recht bescheidener Größe war, und auf den kleinen Balkon. Obwohl man von diesem zum einen auf den klaustrophobischen Platz zwischen vier eng aneinandergebauten Gebäuden hinunterblickte, und er zum anderen keinerlei Privatsphäre bot, war es dennoch ein Balkon.
»Das ist ein schönes Apartment«, bemerkte Lopez mit dem standardmäßigen Interesse eines New Yorkers an Wohnräumen.
»Mhm.«
Er lehnte sich auf seinem Stuhl weit nach hinten, so dass er den Flur entlangblicken konnte. »Sie haben
zwei
Schlafzimmer?« Es war offensichtlich, dass diese ihn überraschende Tatsache augenblicklich alle anderen Gedanken aus seinem Kopf verdrängte.
»Ja.«
»Keine Mitbewohner?«
»Nein.«
»
Zwei
Schlafzimmer?«
»Sie dürfen keins davon haben«, sagte ich mit fester Stimme.
»Wie können Sie sich das leisten?« Als ich ihm einen eisigen Blick zuwarf, fügte er hinzu: »Ich kenne niemanden, der allein lebt und sich in Manhattan eine Wohnung mit zwei Schlafzimmern leisten kann.«
Ich seufzte und antwortete ein wenig lockerer: »Ja, es ist ein sehr schönes Apartment. Ich kann mich glücklich schätzen.« Es war alt und schäbig, mit Schimmelflecken im Bad, und die Gegend war sicher nicht die vornehmste. Obwohl sie sicherer war, als die meisten Leute vermuteten – fast jeder in meiner Straße wohnte schon lange hier und kannte den Großteil seiner Nachbarn mit Namen. Der Vermieter reagierte auf Reparaturanfragen im gleichen Tempo, wie sich Gesteinsschichten bilden, die Klimageräte waren im Sommer unzuverlässig und die Heizungsanlage im Winter unberechenbar. Aber für New Yorker Verhältnisse war es ein tolles Apartment – vor allem in Anbetracht der relativ geringen Miete. Und für eine sich mühsam durchkämpfende Schauspielerin wie mich war es der reinste Luxus, so viel Platz für sich allein zu haben.
Ich schüttete Milch in Lopez’ Kaffee und nahm einen Schluck. Dann sagte ich: »Es ist mietpreisgebunden. Als ich damals nach New York kam, zog ich mit zwei anderen Mädchen hier ein. Das hintere Schlafzimmer ist winzig, kaum groß genug für einen allein. Jedenfalls hatte ich im Laufe der folgenden Jahre einige Mitbewohnerinnen. Irgendwann verdiente ich dann genug, dass ich entschied, niemand Neues zu suchen, als die letzten beiden die Stadt verließen.« Ich zuckte mit den Schultern. »Ich konnte die Miete allein aufbringen und wollte die Wohnung nicht mehr teilen müssen.«
»Und falls
Der Hexenmeister
nicht wieder aufgeführt wird – können Sie die Miete dann weiterhin allein aufbringen?«
»Sie sind auch am Morgen eine äußerst angenehme Gesellschaft«, antwortete ich säuerlich.
»Wenn die Glaskiste repariert ist, treten Sie damit auf?«
»Seit wann ist
das
eine Angelegenheit der Polizei?« Inoffiziell hin oder her – er war wieder im Dienst.
»Esther, jetzt mal ungelogen. Glauben Sie wirklich dieses Zeug, das Max Zadok gestern auf dem Revier zu Protokoll gegeben hat?«
»Sagen
Sie
mir mal etwas ungelogen«, erwiderte ich. »Werden Sie ihn in Ruhe lassen, wenn Sie wissen, dass er keine Bedrohung –« Ich brach ab, weil ich einen mir unbekannten Klingelton hörte.
»Sorry.« Lopez griff in seine Tasche und holte ein Handy heraus. Als er die Nummer auf dem Display las, runzelte er die Stirn.
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