Verzaubert
bissig. »Und da Hieronymus nicht damit behelligt werden wollte, wären
Sie
vielleicht so nett, uns mitzuteilen, was seine Recherche bisher ergeben hat.«
Als Goudini einen Augenblick später von seiner Zigarettenpause zurückkehrte, bedauerte ich bereits, Lysander zum zweiten Mal an diesem Tag dazu aufgefordert zu haben, mich zu belehren.
»Diese Energiepartikel«, erklärte Lysander, »produzieren vielmehr entgegengesetzte Kräfte – eine schwache sowie eine starke –, sie existieren nicht als unabhängige Einheiten.«
»Einen Moment mal, wieso können Partikel keine unabhängigen Einheiten sein?«, fragte Khyber.
»Ich flehe dich an, ihn nicht auch noch zu ermutigen«, flüsterte ich Khyber zu.
»Weil sie nur in
bestimmten
Erscheinungsformen als Partikel vorhanden sind«, erläuterte Lysander seiner aufmerksamen Zuhörerschar. »In anderen Erscheinungsformen existieren sie als Wellen, deren innere Struktur instabil ist – aufgrund von Spannungen der Schwerkraft, des Elektromagnetismus und der Verlagerung von luftleeren Räumen, sogenannten Löchern.«
»Mir brummt der Schädel«, murmelte ich.
»Die Frage der Umwandlung von Energie in Partikel und Wellen, bei der Materie diese Löcher durchquert, möglicherweise in eine andere Dimension –«
»Bitte überspringen Sie die technischen Details und sagen Sie uns einfach: Inwiefern bringt uns das der Antwort näher, weshalb jemand verschwindet?«, unterbrach ich ihn. »Oder durch wen oder was?«
»Wie ich bereits erwähnte«, sagte Lysander ungeduldig, »hat sich Hieronymus auf das
Wie
konzentriert.«
»Aber diese Theorie, die Sie da aufstellen – die Hieronymus aufstellte … Wer verfügt denn über das ganze Wissen und die Fähigkeiten, sie in die Praxis umzusetzen?«, fragte ich. »Ein Zauberer? Ein Hexenmeister? Ein Alchemist?«
»Ja.«
»Wer noch?«
»Ich hoffe, niemand sonst«, antwortete Lysander.
»Und was ist mit Hieronymus’ Ansatz, dass ein Normalsterblicher für das Verschwinden verantwortlich sei?«
Lysander schüttelte den Kopf. »Ich glaube, in diesem Punkt hat er sich geirrt. Er scheint derselben Auffassung zu sein, da er diese Möglichkeit nicht weiter mit mir diskutiert hat. Also, wie ich bereits sagte, könnte die Natur dieser Umwandlung –«
»Das ist ja alles sehr interessant«, unterbrach ich ihn erneut, »aber wie kann der Verursacher den Kosmos so beeinflussen, dass ein Bühnenzauberer, der einen gewöhnlichen Trick anwendet –«
»An meinem Trick ist nichts gewöhnlich!«, rief Goudini aufbrausend.
»Genügend mystische Kraft erhält«, fuhr ich unbeeindruckt fort, »dass er eine Person verschwinden lassen kann – oder einen Tiger? Und wie bekommt der Verursacher den Magier dazu, dies unbeabsichtigt zu tun? Ohne auch nur zu ahnen, dass er über so viel Macht verfügt?«
»Wenn Sie aufhören würden, mich ständig zu unterbrechen –«, ereiferte sich Lysander.
»Einen Moment!« Max wirkte wie vor den Kopf geschlagen. »Was haben Sie da gerade gesagt, Esther?«
»Wie bitte?«
»Unbeabsichtigt?«
»Ja. Unbeabsichtigt oder ohne eine Ahnung –«
»Dass er über die Macht verfügt«, schloss Max. »Könnte es
das
sein?«
»Max, wenn es mir gestattet ist, fortzufahren«, sagte Lysander ungeduldig. »Ich würde gern hervorheben –«
»Warte einen Moment! Esther könnte auf etwas Wichtiges gestoßen sein.« Max sah mich nachdenklich an. »Das war einer jener Punkte, die mich am meisten verwirrt haben.«
»Was genau?«
»Ich glaube nicht, dass ein solches Verschwinden unbeabsichtigt bewerkstelligt werden kann«, antwortete Max.
»Ich hatte bestimmt nicht vor, Samson verschwinden zu lassen!«, widersprach Delilah.
»Eben«, erwiderte Max langsam. »Deshalb … Ja, deshalb besteht die Möglichkeit – ist es sogar wahrscheinlich –, dass nicht
Sie
über die entsprechende Macht verfügen!«
»Nicht?«
»Nein! Sie oder etwas in Ihrer Umgebung waren lediglich ein
Vehikel
für das Wesen, das diese Macht besitzt!«
»Natürlich, ein Vehikel!«, rief Lysander. »Warum habe ich daran nicht früher gedacht?«
»Das kann ich Ihnen auch nicht sagen, Lysander«, mischte ich mich ein. »Ich habe nämlich keinen blassen Schimmer, wovon Sie beide reden.«
»Vehikel?«, wiederholte Delilah. »Wow, einen Moment mal. Haben Sie gerade gesagt, dass jemand – oder etwas – diese scheußliche Sache mit meiner Hilfe vollbracht hat? Wollen Sie damit andeuten, dass ich besessen war?«
»Ja, in gewisser Weise«,
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