Verzaubertes Verlangen
Zauberers. Sie waren erfüllt von dunklen, unergründlichen Geheimnissen. Die
Flammen, die in dem riesigen Steinkamin loderten, warfen einen goldenen Feuerschein auf die Flächen und Kanten eines Gesichts, das aussah, als sei es von den Naturgewalten aus Stein gemeißelt worden. Er bewegte sich mit der gefährlichen Anmut eines Raubtiers, und er wirkte in seinem makellosen, maßgeschneiderten schwarzen Abendanzug unbeschreiblich männlich und elegant.
Alles in allem war er wie geschaffen für das, was sie im Sinn hatte, fand sie.
»Das ist keine Frage des Geldes, Miss Milton, wie Ihnen zweifelsohne klar ist«, sagte er.
Um ihre Verlegenheit zu verbergen, trank sie eilig einen Schluck Brandy und betete, dass die schummrige Beleuchtung ihre Röte verbergen würde. Natürlich war es keine Frage des Geldes, dachte sie verdrießlich. Nach der Einrichtung des Hauses zu urteilen, verfügte die Arcane Society über ein beachtliches Vermögen.
Sie war vor sechs Tagen in dem altehrwürdigen Kasten namens Arcane House eingetroffen, in einer modernen, gut gefederten Privatkutsche, die Gabriel geschickt hatte, um sie vom Bahnhof des Dorfes abzuholen.
Der vierschrötige Kutscher war von der mürrischen Sorte gewesen und hatte kaum ein Wort gesprochen, nachdem er sich ihres Namens vergewissert hatte. Er hatte die Koffer, in denen sich ihre Kleider sowie ihre Trockenplatten, ihr Stativ und die Entwickler und Fixierer befanden, so mühelos hochgehoben, als wären sie federleicht. Venetia hatte darauf bestanden, ihre Kamera selbst zu tragen.
Die Fahrt vom Bahnhof hatte fast zwei Stunden gedauert. Die Nacht war hereingebrochen, und Venetia war sich mit wachsendem Unbehagen bewusst geworden, dass sie tiefer
und tiefer in eine abgelegene und augenscheinlich unbewohnte Gegend chauffiert wurde.
Als der wortkarge Kutscher schließlich vor einem uralten Herrenhaus hielt, das auf den Ruinen einer noch älteren Abtei erbaut worden war, konnte Venetia ihre Nervosität kaum noch verbergen. Sie hatte sogar schon angefangen, sich zu fragen, ob es ein großer Fehler gewesen war, diesen unbeschreiblich lukrativen Auftrag anzunehmen.
Alle Absprachen waren per Post getroffen worden. Ihre jüngere Schwester Amelia, die als ihre Assistentin fungierte, hatte sie eigentlich begleiten sollen. Doch im letzten Moment hatte Amelia sich eine böse Erkältung zugezogen. Tante Beatrice war nicht wohl bei dem Gedanken, dass Venetia die Reise allein unternahm, doch letztendlich hatte die finanzielle Not den Ausschlag gegeben. Nachdem die überaus großzügige Geldsumme erst einmal auf ihr Konto eingezahlt worden war, wäre es Venetia niemals in den Sinn gekommen, den Auftrag abzulehnen.
Die abgeschiedene Lage von Arcane House hatte etliche Zweifel geweckt, doch ihre erste Begegnung mit Gabriel Jones hatte all ihre geheimen Bedenken beschwichtigt.
Als sie an jenem ersten Abend von der praktisch stummen Haushälterin zu ihm geführt worden war, hatte sie ein plötzliches, überraschendes Gefühl des Erkennens übermannt. Das Gefühl war so überwältigend, dass es all ihre Sinne weckte und erregte, einschließlich jenes ganz besonderen Sehvermögens, das sie, mit Ausnahme ihrer Familie, vor allen anderen verbarg.
Und in jenem Moment war ihr die Inspiration zu ihrem großartigen Verführungsplan gekommen.
Dies war der richtige Mann, der richtige Ort und der
richtige Zeitpunkt. Es war höchst unwahrscheinlich, dass sie Gabriel Jones jemals wiedersehen würde, nachdem sie Arcane House wieder verlassen hatte. Selbst wenn sich ihre Wege wirklich irgendwann zufällig kreuzen sollten, so sagte ihr ihre Eingebung, dass er sich als wahrer Gentleman erweisen und ihr Geheimnis wahren würde. Sie vermutete, dass er selbst etliche barg.
Ihre Familie, ihre Kunden und Nachbarn in Bath würden niemals erfahren, was sich hier zutrug, überlegte sie sich. Solange sie in Arcane House war, war sie in einer Weise befreit von allen gesellschaftlichen Restriktionen, wie sie es nie wieder sein würde.
Bis zum heutigen Tag hatte sie die Hoffnung gehegt, dass sich, ihrem Mangel an praktischer Erfahrung zum Trotz, die Verführung von Gabriel Jones recht vielversprechend anließ. Das Feuer, das sie in unbeobachteten Momenten in seinen Augen auflodern sah, und die erregende Energieaura, die sie beide umgab, wenn sie sich im selben Zimmer befanden, verrieten ihr, dass er sich zu ihr hingezogen fühlte.
In den vergangenen Tagen hatten sie oft bei einem gemütlichen Abendessen und
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