Verzaubertes Verlangen
anregenden Unterhaltungen vor dem Kaminfeuer beisammengesessen. Sie hatten morgens gemeinsam gefrühstückt und ausführlich die für den jeweiligen Tag angesetzten Fotoarbeiten durchgesprochen. Gabriel schien ihre Gesellschaft genauso zu genießen wie sie seine.
Es gab nur ein Problem. Dies war ihr sechster Abend hier in Arcane House, und bislang hatte Gabriel nicht einmal den Versuch unternommen, sie in seine Arme zu schließen, ganz zu schweigen davon, dass er sie die Treppe hinauf in eins der Schlafzimmer getragen hätte.
Zugegeben, es hatte viele flüchtige, doch unglaublich erregende
kleine Intimitäten gegeben: Seine warme, kräftige Hand, mit der er sie sanft am Ellbogen fasste, wenn er sie in ein Zimmer führte; eine beiläufige, augenscheinlich unbeabsichtigte Berührung; ein sinnliches Lächeln, das mehr versprach, als es hielt.
Alles ausgesprochen verlockend, sicher, aber nicht unbedingt ein eindeutiges Anzeichen dafür, dass sein Begehren nach ihr groß genug war, um sich zu einer wilden, leidenschaftlichen Liebesnacht mit ihr hinreißen zu lassen.
Sie begann schon zu befürchten, dass sie die Sache verpatzt hatte. In wenigen Tagen würde sie Arcane House für immer verlassen. Wenn sie nicht bald handelte, würden ihre Träume unerfüllt bleiben.
»Sie sind wirklich ausgezeichnet mit Ihrer Arbeit hier vorangekommen«, bemerkte Gabriel. Er stellte sich an eins der Fenster und schaute hinaus in die mondhelle Nacht. »Denken Sie, dass Sie zum verabredeten Termin fertig sein werden?«
»Sehr wahrscheinlich«, antwortete sie. Leider , fügte sie im Stillen hinzu. Sie hätte viel für eine Ausrede gegeben, um länger zu bleiben. »Die vergangenen Tage waren so sonnig, dass ich kaum Probleme mit der Ausleuchtung hatte.«
»Das Licht ist immer die größte Sorge eines Fotografen, nicht wahr?«
»Ja.«
»Die Einheimischen im Dorf sagen, dass das gute Wetter anhalten wird.«
Schlimmer konnte es nicht kommen, dachte sie verdrossen. Schlechtes Wetter war der einzig Grund, der ihr einfiel, um ihren Aufenthalt in Arcane House zu verlängern.
»Wie schön«, sagte sie höflich.
Ihr wurde die Zeit knapp. Verzweiflung packte sie. Gabriel mochte Verlangen nach ihr empfinden, aber anscheinend war er zu sehr Gentleman, um den ersten Schritt zu wagen.
Ihre Hoffnungen auf wenigstens eine einzige Liebesnacht lösten sich vor ihren Augen in Schall und Rauch auf. Sie musste handeln.
Beherzt leerte sie ihr Glas. Der Brandy brannte auf seinem Weg ihre Kehle hinunter, doch das Feuer verlieh ihr den Mut, den sie brauchte, um aufzustehen.
Sie stellte das Glas mit solchem Nachdruck ab, dass es mit einem lauten Geräusch auf dem Tisch aufschlug.
Jetzt oder nie. Würde er mit Entsetzen reagieren, wenn sie sich ihm einfach an den Hals warf? Ohne Frage. Jeder wahre Gentleman wäre zutiefst schockiert von solch ungehörigem Benehmen. Sie selbst war entsetzt von dem bloßen Gedanken. Was, wenn er sie zurückwies? Die Schande wäre unerträglich.
Die Situation verlangte nach Raffinesse.
Verzweifelt suchte sie nach einer Eingebung. Draußen schien das Mondlicht auf die Terrasse. Es schuf eine angemessen romantische Stimmung, fand Venetia.
»Wo wir gerade von der Wetterlage sprechen«, sagte sie und bemühte sich dabei um einen leichtherzigen Tonfall, »es ist hier drinnen etwas stickig geworden, finden Sie nicht? Ich denke, ich werde noch ein wenig an die frische Luft gehen, bevor ich mich zurückziehe. Möchten Sie mir Gesellschaft leisten, Sir?«
Sie ging zu den Terrassentüren und hoffte dabei, dass ihre Bewegungen und ihr Blick hinlänglich heißblütig und einladend waren.
»Gern«, sagte Gabriel.
Das gab ihr Auftrieb. Es könnte tatsächlich funktionieren.
Er folgte ihr zur Tür und hielt sie für sie auf. Als sie hinaus auf die Steinterrasse trat, schlug ihr die kühle Nachtluft mit unerwarteter Kraft entgegen. Ihr Optimismus erlosch augenblicklich.
So viel zu meiner brillanten List, dachte sie. Diese eisigen Temperaturen waren wohl kaum geeignet, brennende Leidenschaft in Gabriel zu wecken.
»Ich hätte eine Stola mitbringen sollen«, sagte sie und schlang ihre Arme um sich, um sich zu wärmen.
Gabriel stellte einen gestiefelten Fuß auf die niedrige Steinmauer, die die Terrasse einfasste, und schaute abschätzend zum sternenhellen Nachthimmel auf.
»Diese kühle, klare Nacht ist ein weiterer Hinweis darauf, dass wir in der Tat morgen herrlichen Sonnenschein erwarten können«, sagte
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