Verzehrende Leidenschaft
sie nicht diese Aufgabe übernehmen sollte, da er ja die Mahlzeit zubereitet hatte. Sie wusste, dass es nicht richtig war, ihn alle Arbeit machen zu lassen; aber irgendwie schob sie die Schuld an ihrer düsteren Lage zum Teil auch auf ihn. Es würde ihm eine Art Buße sein, wenn er sie ein bisschen bediente.
Während sie ihm zusah, fragte sie sich, wie jemand selbst in solch unrühmlichem Zustand noch so gut aussehen konnte. Seine Kleidung war zerrissen und verschmutzt, das schwarze Haar wirr und steif von dem Salzwasser, in dem sie so lange geschwommen waren. Außerdem bemerkte sie Blutergüsse und Schwellungen in seinem Gesicht und auch an den Stellen, an denen seine Haut durch die zerrissenen Kleider schimmerte. Manche dieser Blessuren stammten vielleicht von der gewaltigen Wucht der stürmischen Wellen, das meiste hatte er sich jedoch vermutlich bei seinem Kampf mit Sir Bearnard zugezogen. Sie dachte daran, wie gut sie sich um all seine Schrammen kümmern könnte. Doch wie um alles in der Welt kam sie jetzt auf solche Gedanken? Der Mann hatte nicht nur ihr Leben in ein Chaos gestürzt, sondern hatte offenbar auch eine beunruhigende Wirkung auf ihren gesunden Menschenverstand. Moira lenkte ihre abschweifenden Gedanken wieder zurück zu der Frage, was als Nächstes zu tun war. Das war weitaus wichtiger als die Überlegung, wie glatt seine dunkle Haut war oder wie wohlgeformt seine Beine waren.
»Sir Tavig, Ich hatte nicht vergessen, dass Ihr vorhabt, uns zu Mungan Coll zu bringen«, beeilte sie sich zu sagen in der Hoffnung, dass sie ihren Kopf von allen unnützen Gedanken frei halten konnte, wenn sie redete.
»Was wollt Ihr denn sonst noch wissen?«
»Wie kommen wir dorthin? Unsere Kleidung ist zerfetzt, wir haben keine Pferde und keine Vorräte.«
»Wohl wahr.« Er wischte sich die Hände an einem schmutzigen Lumpen ab, dann setzte er sich wieder an den Tisch. »Ich glaube, für den Anfang können wir hier genug finden.«
»Aber das wäre Diebstahl.«
»Mädchen, der Mann, der hier hauste, ist tot, dessen bin ich mir nahezu sicher. Und wenn er doch noch am Leben ist, dann ist er geflohen, ohne einen Gedanken an sein Hab und Gut zu verschwenden. Hört auf, Euch den Kopf darüber zu zerbrechen, ob wir rechtens handeln oder nicht. Was auch immer mit diesem Mann passiert ist, er hat alles zurückgelassen, und jetzt wird es verrotten, oder es wird mitgenommen. Und wir haben es bitter nötig, uns an seinen kärglichen Hinterlassenschaften zu bedienen.«
»Ich sehe ja ein, dass Ihr recht habt, doch es fällt mir trotzdem schwer, Dinge zu nehmen, die einem anderen gehören.«
»Wenn ich Geld bei mir hätte, würde ich es als Bezahlung dalassen, aber das Geld würde bestimmt auch nur gestohlen werden. Wenn es Euer schlechtes Gewissen beruhigt, verspreche ich Euch, dass ich entweder zurückkehren oder jemanden herschicken werde. Wenn der Mann noch am Leben ist, wird er bezahlt werden.«
»Das ist sehr freundlich von Euch, aber vielleicht könnt Ihr ja gar nicht zurückkehren.«
»Dann tut Ihr es eben.«
»Das würde ich gern, doch ich fürchte, ich habe kein Geld.« Sie spürte, wie sie errötete. Doch gleichzeitig fragte sie sich, warum es sie so verlegen machte, einem solchen Mann ihre Armut zu gestehen.
»Überhaupt keines?« Tavig fand ihre Verlegenheit richtig liebenswert, zumal er diesmal keine Schuld daran trug.
»Nay. Mein Onkel Bearnard behauptet, meinem Vater ist das Geld nur so durch die Finger geronnen.«
»Tja nun, mir macht das nichts aus. Eine reiche Erbin wäre zwar auch nicht schlecht gewesen, aber ich brauche das Geld nicht, also kann ich gern auch ein armes Mädchen zur Frau nehmen.« Er grinste, als sie ihn wieder zornig anfunkelte.
Moira sagte sich, dass er solche Dinge sicher nicht von sich gab, um ihr wehzutun. Schließlich konnte er nicht wissen, dass ihre Armut zu den vielen Dingen gehörte, die sie dazu verdammten, unverheiratet zu bleiben. Es war zwar nicht etwas, was sie sich gewünscht hätte, aber sie hatte sich stets bemüht, es hinzunehmen. Doch obwohl sie einsah, dass er nicht absichtlich versuchte, sie zu verletzen, ärgerte sie sein munteres Geschwätz über eine Heirat.
»Es wird langsam Zeit, dass Ihr Euch einen neuen Witz einfallen lasst«, murrte sie.
Tavig schüttelte den Kopf und setzte eine betrübte Miene auf. »Also gut, meine kleine Braut. Zum Glück kettet uns unsere Lage noch gut zwei Wochen aneinander, denn ich sehe, dass ich wohl noch kräftig um Euch
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