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Verzeihen

Verzeihen

Titel: Verzeihen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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Schreck sprang sie aus dem Bett. Ließ sich auf den Stuhl am Schreibtisch fallen. Öffnete die blaue Kladde.
    Griff nach dem Kugelschreiber. Und begann hastig zu schreiben.
    Es kümmerte sie nicht, dass sie nur einen Slip und ein T- Shirt trug und nah am Fenster saß, durch das kalte Luft hereinkam. Es kümmerte sie nicht, dass sie kaum etwas sah. Weil sie kein Licht anmachen wollte, und nur das der Straßenlampe hereinschien. Es kümmerte sie nicht, ob es klug war hier zu sitzen. Anstatt ihren Rausch auszuschlafen, um morgen fit zu sein fürs Lokal. Alles schien ihr sinnvoller als einfach nur dazuliegen und unverständliche Träume zu haben. Höhnische Träume.
    Was sie schrieb, war wenigstens wahr. Und wenn sie schrieb, war sie wach. Und anwesend. Und die Wörter halfen ihr auszuharren in der verfluchten Einsamkeit, die ihr niemand abnahm.
    Die sie sich von niemandem abnehmen lassen wollte. Weil das ihre Sache war.
    Ich bin die, die verantwortlich ist. Und die selber schuld ist. So gern möchte ich mit Iris über alles sprechen, ihr sagen, wieso ich so bin, wie ich gerade bin, wie ich geworden bin seit Mittwoch. Mittwoch vor einer Woche. Ich würde ihr sagen, wie das war, als das Telefon klingelte. Kurz nach acht in der Früh. Ich ging ran, weil ich dachte, du wärst es, Iris. Und im ersten Moment dachte ich auch, du bist es. Deswegen sagte ich: Hallo Iris. Du warst es nicht. Sondern eine andere Frau. Sie war freundlich. Zuerst kapierte ich nicht, was sie mir erzählte.
    Ich habe zugehört und dann aufgelegt. Und dann war nichts. Ich saß nur da, das habe ich alles schon aufgeschrieben. Das habe ich schon hinter mir.
    Wenn ich Iris die Wahrheit sagen würde, müsste ich sie trösten, und das kann ich nicht. Bin ja selber ungetröstet. Ach, ich weiß nicht, was nützt mir Trost? Ich bete ja auch nicht, habe ich nie getan, was soll das bringen? Man redet ins Leere, ich mag das nicht. Ich rede nicht gern ins Leere, ich kann das nicht leiden, wenn mir niemand antwortet. Von schweigsamen Männern habe ich nie viel gehalten, die nehmen sich bloß wichtig, die tun so, als würden sie zuhören. Mir ist es lieber, man redet und das Reden ist gleich verteilt.
    Wie bin ich bloß darauf gekommen, meine Mutter anzurufen? Das darf ich nicht tun! Ich darf das nicht tun! Auch wenn ich total am Eingehen bin! Das nicht! Das auf keinen Fall! Hast du dir das eingeprägt, meine hübsche Hochwohlgeborene!
    Jetzt, nach zwei Tassen Kaffee, bin ich nicht mehr so aufgedreht wie in der Nacht. Kaffee holt mich runter. Ich bleibe jetzt hier und gehe später ins Lokal. Ich werde hingehen. Zwei Abende hintereinander kann ich Iris nicht allein schuften lassen, das geht nicht, das ist unfair. Sie denkt, ich habe meine Tage und Schmerzen. Ich habe meine beste Freundin angelogen. Und wenn sie erfährt, warum ich wirklich zu Hause geblieben bin, wird sie mich hassen. Und ich werde mich hassen, weil ich mich dumm verhalten habe, so unvorstellbar dumm.
    Verzeih mir, Iris, ich werde dir die Wahrheit sagen, wenn ich fähig bin sie zu ertragen. Wann wird das sein? Jedes Mal, wenn ich rausgehe und Leute mich anschauen, versuche ich rauszukriegen, ob sie mir ansehen, was mit mir los ist, und wie die Männer schauen. Ich will nicht, dass sie sich wegdrehen, ich will, dass sie mich schön finden, das will ich.
    Ich will nicht, dass sie mich ablehnen. Ich will, dass sie mich begehren, meinen Körper. Ich will nicht, dass sie mit mir schlafen, ich will nur, dass sie es gerne täten.
    Den Spiegel im Flur habe ich abgehängt und verkehrt herum an die Wand gelehnt.
    Ich fange an mich vor mir zu ekeln.
    Vielleicht sollte ich rausgehen und den Ekel einfach wegvögeln.
    Und genau das mache ich jetzt auch, verflucht.

6
    I m Hotel war kein Geräusch zu hören. Das kam ihm unheimlich vor. Und dass ihm etwas unheimlich vorkam, fand er doppelt unheimlich. Er bildete sich ein, jemand zu sein, der sich nicht fürchtete. Ich brauch was zu trinken.
    Nachdem Niklas Schilff die Tür seines Zimmers geschlossen hatte, stand er eine Weile im Dunkeln.
    Er dachte an die Wohnung der Frau, die er im Taxi nach Hause begleitet hatte. An den Geruch im Flur nach Jasmin. An die Silhouette der Frau vor dem weißen Licht der Lampe draußen.
    An die Gedanken, die er beim Verlassen der Wohnung gehabt hatte.
    Eine schnelle verwirrende Vorstellung lang hatte er geglaubt, es sei besser zu bleiben. Und diese Begegnung kein Zufall. Sondern ein Zeichen.
    »Unsinn!«, sagte er jetzt laut. Der Klang

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