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Verzeihen

Verzeihen

Titel: Verzeihen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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sich an einem Grab verabschiedet. Du hast vergessen mir zu erzählen, wie die Männer sind.
    Das macht nichts, Papa, ich hab mir die Sachen selber beigebracht, auch wenn ich manchmal vieles verwechselt hab.
    Ich hab den »Flohwalzer« daneben geklimpert. Ich hab einen Bocksbart gepflückt und gedacht, es ist ein Löwenzahn, und ich hab den roten Klee nicht erkannt. Und an deinem Grab hab ich mit den Fingern gespielt, obwohl da keine Wand war und kein Licht. Auch hab ich geweint beim Essen.
    Bis zum zweiundzwanzigsten April werde ich nicht durchhalten. Dann hätten wir denselben Todestag. Wem würde das gefallen? Für Mama wäre es praktisch, sie könnte dann in einem Aufwasch auf uns beide wütend sein.
    In der Schule hat mich eine Lehrerin gefragt, ob ich glaube, dass mein Vater im Himmel ist. Da habe ich geantwortet: Nein, er ist in meinem Zimmer, wenn ich nach Hause komme, in meinen Tränen, wenn ich weine, und wenn ich schlafe, spielt er mir mit seinen Fingern Träume vor.
    Damals war ich ungefähr dreizehn. Und das bin ich jetzt wieder. Und ich stelle mir vor, die letzten dreiundzwanzig Jahre sind einfach ungelebt geblieben. Oder jemand anders hat sie für mich gelebt. Danke für die Zeit, die du mit mir verbracht hast, sie war genug für mich, ich habe viel gelernt. Mach, dass ich schnell einschlafe und für immer. Deine hübsche hochwohlgeborene Ariane.
    Nachdem sie seine Kolleginnen und Kollegen befragt hatten, setzten sie sich zu viert in sein winziges Büro hinter der Bar.
    »Der Mann hat mich bedroht!«, sagte Ben Zellner. Er hatte sich ein Blouson angezogen, und alles, was er fühlte, war Angst, die für hunderte gereicht hätte.
    »Das sagten Sie schon«, sagte Martin Heuer.
    »Und Ariane Jennerfurt hat ihn zu Ihnen geschickt«, sagte Sonja Feyerabend. »Was genau wollte er von Ihnen?«
    »Das… ich weiß es nicht. Er… Ich… bin sicher, er weiß, wo Ariane ist, der weiß das…«
    »Ist Ihnen schlecht?«, fragte Heuer.
    Zellner zuckte mit den Achseln. Abwesend.
    »Wann haben Sie Frau Jennerfurt zuletzt gesehen?« Sonja betrachtete diesen Mann, der zusammengesunken auf seinem Stuhl saß, aschgrau im Gesicht, und der sich krampfhaft bemühte, ruhig zu atmen.
    »Das ist lang her«, sagte er.
    »Kennen Sie Frau Frost?«, fragte Heuer.
    Ben Zellner starrte auf die rote Knollennase des Kommissars.
    »Muss ich die Frage wiederholen?«
    »Nein… Ich… kenne sie. Von früher. So wie Frau Jennerfurt.«
    »Waren Sie ein Kunde von den beiden?«, fragte Sonja.
    »Nein«, sagte er und legte die Hände übereinander in der Hoffnung, sie würden dann weniger zittern.
    Nach einer kurzen Pause ergriff Sonja wieder das Wort. Anscheinend hatte Tabor Süden beschlossen, zu diesem Gespräch vor allem Schweigen beizusteuern. Zellner sah den Kommissar mit den langen Haaren immer wieder furchtvoll an.
    »Sie hatten den Eindruck, dieser Mann hatte erst kürzlich Kontakt mit Frau Jennerfurt?«, fragte Sonja.
    Zellner nickte.
    »Dann werden wir den Mann vernehmen«, fragte sie. Zellner erschrak. »Sie kennen ihn?«
    »So, wie Sie ihn uns beschrieben haben, gibts keinen Zweifel«, sagte Heuer.
    »Er wird uns sagen, was genau er von Ihnen wollte«, sagte Sonja.
    »Sie kennen den Mann. Das haben Sie mir verschwiegen«, sagte Zellner. Er wusste nicht, warum er das gesagt hatte. Er wollte es zurücknehmen.
    »Das machen wir manchmal: schweigen«, sagte Süden und stand auf. »Darf ich telefonieren?«
    »Haben Sie kein Handy?« Um ein Haar hätte Zellner gekichert.
    Er hatte sich nicht mehr unter Kontrolle. Wieder fing er an zu schnaufen.
    Ohne die Antwort abzuwarten hatte Süden den Hörer genommen und eine Nummer gewählt.
    »Süden«, meldete er sich. »Sie kennen Ben Zellner? Wann haben Sie oder Ariane ihn zum letzten Mal gesehen?« Er hörte zu. Nach einer Minute bedankte er sich und legte auf.
    »Frau Jennerfurt war auf Ihrer Geburtstagsfeier im Juni. Frau Frost war krank, hat sie gerade gesagt. Sie hatten früher ein Verhältnis mit Frau Jennerfurt. Haben Sie an Ihrem Geburtstag mit ihr geschlafen?«
    Zellner zuckte zusammen. Hielt sich die Hand vor den Mund und senkte den Kopf. Wenn es stimmte, was der Mann, der sich Dragomir nannte, gesagt hatte, musste er nun Rechenschaft ablegen. Und nichts, nicht das Geringste, würde am Ende zu seinen Gunsten zu verrechnen sein.
    »Ja«, sagte Ben Zellner, »Ja. Ja.«
    Die Luft im Zimmer war abgestanden. Es roch nach Schweiß. Und Alkohol. Die braunen Vorhänge waren vorgezogen. Süden

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