Verzwickt chaotisch
vergangenen Tagen dauernd von ihren Klassenfahrten erzählt. Na ja, was die damals so angestellt haben. Sie hat sich mit all ihren Freundinnen zerstritten. Jede Klassenfahrt endete mit Krach und Tränen. Und danach haben sie kein Wort mehr miteinander geredet.«
Sofie hörte auf, ihren Stoff zu zerstören, und sah wieder zu mir auf.
»Echt?«, fragte sie langsam und noch etwas misstrauisch. »Und deshalb wolltest du dich gleich zu Anfang mit mir verkrachen?«
»Nein. Nein!« Ich stellte überrascht fest, dass ich bislang gar nicht übermäßig viel log. Es war zwar nur eine Klassenfahrt gewesen, in der Mama sich mit ihrer besten Freundin verkracht hatte. Und sie hatten sich rasch wieder versöhnt. Aber meine Geschichte hatte einen wahren Kern. Er beflügelte mich.
»Mama hat gesagt, dass die Streitereien nicht passiert wären, wenn sie und ihre Freundinnen nicht von jetzt auf nachher rund um die Uhr zusammengewesen wären. Nur aus diesem Grund würden Klassenfahrten oft dramatisch enden. Sodass alle heulen und streiten. Hüttenkoller.« Wie hatte Herr Rübsam vorhin geklagt? Die Erste weint schon. Also kannte er das Phänomen auch. Ich war Mama auf einmal sehr dankbar für ihre Anekdoten. Weiter, Luzie. »Ich hatte Angst, dass das bei uns auch passiert, wenn wir zusammen in einem Zimmer sind. Schau doch mal, ich bin Einzelkind, ich weiß nicht, wie das ist, wenn ständig jemand bei mir ist …«
Sofie ließ die Nadel sinken. Ihre Augen schwammen in Tränen und gleichzeitig lächelte sie.
»Ehrlich?«, hauchte sie mit bebender Stimme. Sie hörte sich an, als habe sie zehn Jahre lang Schnupfen gehabt.
Ich nickte nur. Nicken war besser als sprechen, wenn man so gnadenlos log wie ich in diesem Moment. Natürlich wusste ich, wie es war, wenn ständig jemand bei mir war. Wenn auch erst seit einigen Monaten. Nicht einmal Zwillinge waren so viel und eng zusammen wie Leander und ich. Aber wir stritten täglich. Insofern war wenigstens meine Schlussfolgerung richtig. Geflunkert, aber richtig. Streiten wollte ich mit Sofie wahrhaftig nicht.
»Ich dachte, es ist besser, wenn ich mit jemandem ein Zimmer teile, bei dem es mir egal ist, ob wir zerstritten sind oder nicht.« Das wiederum konnte ich im Brustton der Überzeugung sagen. Elena mochte mich sowieso nicht. Und ich sie erst recht nicht.
»Oh Luzie, du hast wirklich einen Knall. Einen süßen Knall«, kicherte Sofie unter Tränen und beugte sich vor, um mir einen versöhnlichen Kuss auf die Wange zu drücken. Die Nadel in ihrer Hand näherte sich gefährlich meinem Bauch, doch ich hielt still. Ich war so froh, dass sie mir meine Erklärung abnahm, dass ich sogar bereit war, innere Verletzungen zu riskieren.
»Oh, look, Seppo, they are so cute …«, sirrte Kellys Stimme durch die warme Frühlingsluft. Sofie und ich guckten uns an und verzogen gleichzeitig das Gesicht.
»Meinst du, die beiden fangen was miteinander an?«, fragte Sofie vertraulich.
»Keine Ahnung«, entgegnete ich kühl. »Ist mir egal. Soll er ruhig.«
Sofie erwiderte nichts mehr, doch ich spürte, dass sie mich ein paar Sekunden lang prüfend ansah. Seppos Verrat hatte ich ihr verschwiegen. Ich musste es tun, da sonst die Gefahr bestand, dass Sofie sich verplapperte. Und noch hatten die Jungs und ich unseren Pakt. Also hatte ich ihr nur gesagt, dass ich mich nicht mehr so sehr für Seppo interessieren würde, was Sofie kein bisschen verstand. Wir hätten doch auf dem Fastnachtsball so eng miteinander getanzt.
Ja, hatten wir. Und wir hatten sogar ein zweites Date fürs Kino ausgemacht. Doch damals ahnte ich nicht, dass Seppo ein Verräter war. Es zu erfahren hatte alles anders gemacht. Der Verrat schmerzte mich immer noch. Und gleichzeitig machte mich der Gedanke, dass Kelly sich an Seppo ranschmeißen könnte, rasend. Ich wollte sie vierteilen, über die Burgmauer stoßen, sie …. oder sollte ich das alles nicht besser mit Seppo tun? Ob er auch die seltsamen Sachen in meinem Koffer gesehen hatte? Moment, der Koffer …
»Hey, Sofie, ich muss mal aufs Klo. Kann länger dauern. Du bleibst hier, oder?«
»Klar. Soll ich dir dein Krönchen basteln? Meines ist fertig.« Ich nickte dankbar. Während mein hellgrüner Umhang immer noch auf seine Kordel wartete, hatte Sofie sich ein dunkelrotes Gewand samt Krönchen und Schürze gebastelt. An ihr würde das auch niedlich aussehen. Ich selbst hätte mir lieber eine Papiertüte über den Kopf gestülpt, als ein goldenes Pappkrönchen aufzusetzen. Billy
Weitere Kostenlose Bücher