Veyron Swift und das Juwel des Feuers - Serial: Teil 1 (German Edition)
kaufen konnte. Das zeigte er uns Mitkommilitonen damals auch. Die Mädchen liebten ihn, beziehungsweise sein Geld. Jeden Abend Party, jeden Abend in einem anderen Palast. Damit meine ich echte Paläste, keine Nobelhotels, sondern richtige Schlösser und Burgen im Besitz von Fürsten und Königen. Jeden Morgen mit dem Lamborghini zur Uni, jeden Morgen mit neuen Designerklamotten. Mit Manschettenknöpfen aus purem Gold und Armbanduhren aus Diamant und Platin. Er war ein Angeber in einer Größenordnung, wie es sie auf der Welt kein zweites Mal gegeben hat und jemals wieder geben wird.
Heute glauben viele, dass er seinen Reichtum nur deshalb so demonstrativ nach außen trug, weil er in Wahrheit depressiv war. Nach seinem spurlosen Verschwinden vor acht Jahren gab sich die Polizei schließlich damit zufrieden, dass er vermutlich Selbstmord begangen hatte. Seine Leiche wurde jedoch nie gefunden.
Sein Verschwinden machte mich neugierig, denn ich kannte Ramer und war mit den Theorien der ganzen Armee von Polizeipsychologen nicht einverstanden, die sich jetzt plötzlich aus allen Teilen der Welt zu Wort meldeten. Ramer hatte niemals irgendwelche Antidepressiva genommen und zeigte auch sonst keine typischen Symptome von Depression. Keine Stimmungsschwankungen, keine Melancholie, kein Überforderungsgefühl. Nein, depressiv war Floyd Ramer auf gar keinen Fall. Aber gelangweilt. Ich würde sogar sagen, dass er der gelangweilteste Mensch war, der je auf Erden lebte. Ich verbrachte einige Zeit mit ihm – außerhalb der Partys, da wir uns beide sehr stark für griechische Mythologie interessierten. Wir besuchten gemeinsam verschiedene Kurse und in den Pausen führten wir sehr erhellende Diskussionen. Ich erinnere mich gut daran, dass er dem Alltag nicht viel abgewinnen konnte. Er fand so ziemlich alles langweilig: Politik, Wissenschaft, Gesellschaftsleben. Alles war so furchtbar normal.
›Wie langweilig die Menschheit ist, Veyron. So furchtbar gewöhnlich, so durchschnittlich. Es stimmt, was meine Mutter immer sagt: Seit die Menschen allein über die Erde herrschen ist es trist und still geworden. Und je länger sie das tun, umso langweiliger wird die Welt. Es gibt nicht einmal mehr richtige Könige, nur noch ein paar verarmte Monarchen von Volkes Gnaden, besser gesagt von des Finanzministers Gnaden. Er bestimmt die Höhe der Apanage anstelle des Königs. Wo sind sie hin, die absoluten Regenten mit ihren Prunkbauten für die Ewigkeit? Verschwunden, weggefegt und entsorgt. Stattdessen herrschen jetzt die Nullen im Parlament. Alles nur Phrasendrescher. Kein Wunder, dass die Menschen da alle eingeschläfert werden. Langweilig, langweilig, langweilig. Ich wünschte ich könnte endlich an diesen anderen Ort gehen, wo noch was los ist, wo man als König noch was zählt‹, das sagte er. Und er wiederholte es oft, bei allen möglichen Gelegenheiten. Ich glaube, das Einzige auf der Welt, das Floyd Ramer nicht langweilig fand, war Party feiern. Eines Tages war er plötzlich verschwunden.«
»Ein seltsamer Vogel, der Typ hat ja echt einen Schatten«, meinte Tom. Schnell nahm er sich noch einen Toast, bevor er kalt wurde. Veyron schenkte ihm ein zustimmendes Lächeln.
»Stimmt. Er war ein seltsamer Vogel, verrückt aber nicht geistesgestört. Da muss man einen Unterschied machen. Sein Verschwinden ließ mich jedenfalls eigene Nachforschungen anstellen. Mir ging dieser Satz »Ich wünschte ich könnte endlich an diesen anderen Ort gehen«, nicht mehr aus dem Kopf. Ich war davon überzeugt, dass er nicht das Jenseits meinte, wie von den ganzen Psychologen angenommen. Dazu musst du wissen, dass Floyd Ramer kein gläubiger Mensch war. Er glaubte nicht, dass Gott oder ein Jenseits existierten. Er hielt diese Einstellung für antiquiert und für einen modernen Menschen nicht mehr zeitgemäß. Er war der gleichen Meinung wie ich, dass der Tod endgültig sei. Wie wenn man einem Radio den Stecker zieht. Von daher konnte also eine Jenseits-Sehnsucht nicht in Frage kommen. Ich war sicher, dass er tatsächlich einen realen, anderen Ort meinte, zudem er gelangen könnte – materiell und nicht spirituell.
Daher erbat ich mir von Inspektor Gregson die Erlaubnis, die Privataufzeichnungen Ramers genauer durchzusehen – hinter dem Rücken des Nachlassverwalters, welcher von der Ramer-Stiftung bezahlt wurde und von Anfang an sehr abweisend und überhaupt nicht kooperativ war. Ich suchte in den Aufzeichnungen nicht nach Hinweisen auf Depressionen,
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