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Video-Kid

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Titel: Video-Kid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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so wunderbar, wieder festen und trockenen Boden unter den Füßen zu haben. Das ist doch hier die richtige Richtung, oder? Wenn wir weiterlaufen, stoßen wir doch aufs Meer, nicht wahr?«
    »Ich denke schon«, sagte das Neutrum, »aber gleichzeitig kommt mir das alles sehr sonderbar vor.« Wir marschierten weiter. Neue Kraft durchströmte uns jetzt, da das lange und ermüdende Herumirren durch den Sumpf vorüber war. Wir waren etwa anderthalb Kilometer in einen Wald eingedrungen (»Zwischenwachstum«, näselte Armbruster, »noch nicht zur vollen Größe gelangt. Wahrscheinlich kaum älter als zweihundert Jahre.«), als wir einen starken Wind bemerkten und entdeckten, wie sich die Wipfel schüttelten. Die Bäume endeten vor einem Chaos aus zerbrochenen und geborstenen Kalksteinfelsen, und als wir die überwunden hatten, fanden wir uns am Rand einer langen Böschung wieder.
    In der weiten Ebene dahinter breitete sich das Zentrum der Masse aus. Eine nahezu weiße Fläche, die mit nichts Lebendem Ähnlichkeit hatte. Eine Alptraumlandschaft erstreckte sich vor unseren Augen: verzerrt, aus den Fugen gebracht, sichtlich gummiartig und klebrig, angefüllt mit klumpigen Spiralen, Krümmungen und anderen Bizarrheiten aus dicken, schlaffen Fibern von manchmal mehreren Metern Länge. Türme ragten aus der Masse, die früher einmal Bäume gewesen sein mochten, jetzt aber bis zur Unkenntlichkeit mit verklumpten und verdrehten Streifen der Masse-Fibern bedeckt waren. Teile davon schienen vor unseren Augen zu schäumen, wie Zellen, die sich einer Mitose unterziehen. Andere Stellen waren so verrunzelt wie die Oberfläche eines menschlichen Gehirns.
    Etwa einen Kilometer in östlicher Richtung floß das Sumpfwasser durch eine Lücke in der Böschung aus und rauschte in einem Wasserfall nach unten. Nebel versteckte den Boden des Wasserfalls, aber wir konnten trotzdem ausmachen, wo das Sumpfwasser den trägen Strom erreichte. Und viele Kilometer weiter im Osten glitzerte die Oberfläche des Ozeans.
    »Diese Böschung hier ist eine Fehlentwicklung«, erklärte Armbruster. »Ich schätze sie auf höchstens zwei- bis dreihundert Jahre. Das erklärt natürlich die eigenwillige Geologie des Sumpfgebiets.« Es beugte sich gefährlich weit vor, um sich die Böschungswand anzusehen.
    »Du erwartest doch wohl nicht, daß wir da durchlaufen?« fragte ich vorsichtig.
    Armbruster tat so, als hätte es mich nicht gehört. »Seht euch nur mal diese glatte Wand an«, murmelte das Neutrum. »Und erst diese dunkle Ansammlung von Höhlenöffnungen in der Wand. Ich denke, ich weiß, was sich hier zugetragen hat. Das immense Gewicht der Masse ist daran schuld. Sie hat das darunterliegende Höhlenlabyrinth zum Einsturz gebracht. Ihr müßt nämlich wissen, daß dieser ganze Kontinent von Höhlen durchzogen ist. Und Kalkstein bricht sehr leicht.«
    »Jetzt hör mir mal zu«, sagte ich, »ich habe nicht vor, durch diese Eitermasse zu ziehen, solange es noch eine andere Möglichkeit gibt, ans Ziel zu gelangen. Sieh dir das Zeugs doch nur einmal an! Gräßlich! Ekelhaft! Sieht ja aus wie der Abtritt vom Teufel höchstpersönlich! Gibt es denn gar keinen Weg, der uns um diesen Brei herumführt?«
    Armbruster sah mich geduldig an, »Möchtest du vielleicht durch den Sumpf zurück? Paß auf, wir können am Wasserfall hinunter und dann relativ bequem dem Flußlauf folgen. Außerdem geht es bis zum Meer die ganze Zeit nur abwärts.«
    »Woher sollen wir denn wissen, ob nicht alles unter uns einstürzt? Was ist, wenn wir bis an die Knie einsinken und steckenbleiben? Oder wenn uns irgendein hungriger Pilz verspeisen will? Oder wenn er uns die Haut abfrißt und wir danach von Kopf bis Fuß mit diesem weißen Flaum bedeckt sind ...«
    »Seht doch!« rief Anna.
    Wir sahen nur kurz hin und sprangen dann sofort hinter einigen Kalksteinfelsen in Deckung. Ein Kamerahopper hing in der Luft, höchstwahrscheinlich einer der beiden, die ich im Sumpf gesehen hatte. Zumindest wies er all die Zusatzausrüstung auf. Im Augenblick hatte er die Greifarme ausgestreckt und sah aus wie ein zum Angriff bereiter Rochen. Er hielt kurz in seinem Flug über der Masse inne und stieg dann langsam zu einer der irregulären Furchen in der Masse herab. Vorsichtig wagten wir uns aus unserer Deckung hervor.
    »Ich hoffe nur, er hat uns nicht entdeckt«, sagte ich. »Hopper von dieser Größe verfügen über Telelinsen und ein automatisches Aufspürsystem, wie ihr es nicht für möglich halten

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