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dem rosafarbenen neuen Fleisch steckten.
Der Wald ging in ein Sumpfgebiet über. Die Bäume waren hier noch kleiner, an der Basis breiter und wiesen eine dickere Rinde auf. Immer öfter war der Boden so feucht, daß er sich bei jedem Schritt, den wir machten, schmatzend um unsere müden Füße schloß. Wir mußten etliche Male Schlammlöcher und Morastgebiete umgehen, wo das Wasser halb versteckt unter den dicken, fleischigen Blättern von Seepflanzen lag. Viele dieser Pflanzen waren weiß, und wir trafen auf ganze Felder, wo verschiedene Spezies von einer durchgehenden, klebrigen Schicht aus weißer Masse überzogen waren. Das Walddach wurde ständig dünner und durchlässiger, bis es fast völlig verschwunden war und der Nachmittagssonne gestattete, blendend hell von glitzernden Grünflächen im flachen Sumpfwasser zu reflektieren.
Für Armbruster waren die Wasserstellen auf unserem Weg kein besonderes Problem: Es trat einfach hinein und schwamm gegebenenfalls ein Stück. Anna und mir hingegen blieb nichts anderes übrig, als diese Gebiete so gut es eben ging zu umwandern, auch wenn unsere Füße bald so feucht und faltig waren wie Eintopfgemüse. Manches Mal versanken wir bis zum Hals und schwammen dem Neutrum hinterher, wobei uns nichts anderes als das Zelt zur Verfügung stand, um uns am Untergehen zu hindern.
Endlich entdeckten wir, daß sich der feuchte Grund unter unseren Füßen in den für das echte Marschland typischen »zitternden Boden« verwandelte. Kein Bröckchen Erde war darin, und wir mußten in gebeugter Haltung auf den zusammengepfropften Matten faulender Vegetation weiterschleichen. Manche dieser Matten waren mit Wurzeln im feuchten Grund verbunden, andere aber trieben frei auf der Oberfläche. Blasen voller Fäulnisgase hielten sie oben. Zu unserem Glück fanden sich hier noch ausreichend begehbare Inselchen, die sich um die Wurzeln von mächtigen, im Wasser stehenden Bäumen gebildet hatten. Wann immer uns das möglich war, machten wir auf größeren Inselchen Rast, trockneten unsere Sachen und aßen ein paar Beeren von den dornigen Marschreben. Später webten wir Sitzmatten aus den grünen, wächsernen und biegsamen Stengeln der Sumpfbinsen. Klumpen von nassem, weißem Moos hingen von den Baumästen. Wir stießen auf eine ganze Reihe von Bäumen, die über und über mit dem weißen Flaum bedeckt waren, aber sie wirkten noch gesund. Die Kraniche und Reiher nisteten ohne Furcht auch in solchen Bäumen, ja sie stopften sogar ihre Nester mit Fasern der weißen Masse aus.
Als es wieder Nacht wurde, kampierten wir auf der größten Insel, die wir weit und breit finden konnten. Bei der Feuerholzsuche erschlug ich drei Schlangen mit meinem Nunchuck. Armbruster hatte eine ziemlich große Schildkröte gefangen und erdrosselt. Das Neutrum versicherte uns, daß Schildkrötenfleisch bedenkenlos von uns verzehrt werden könne, während einige der am unschuldigsten wirkenden Fische voll von tödlichem Gift seien. Wir pickten Armbruster rosafarbene Blutegel vom Rücken, während es die Schildkröte mit einem kleinen Skalpell ausnahm, dem einzigen Messer, das uns noch geblieben war.
Am Tag war die Luft über dem Marschland von Vogelgeschrei erfüllt gewesen, aber in der Nacht schienen sie zu schlafen. Dafür ertönte unentwegt, Gänsehaut erzeugend, das Gebrüll felltragender Krokodilsäuger. Glühende Sumpfgasblasen trieben über dem Wasser. Nur wenige Meter von unserem Lager entfernt stieg etwas besonders Großes mit viel Getöse und Geplansche aus dem Wasser. Wir saßen ganz still da, bis es weitermarschiert war und wir nichts mehr von ihm hörten.
»Das Sumpfwasser fließt ein paar Kilometer von hier entfernt in einen ziemlich großen Fluß ab«, sagte Armbruster fröhlich. Sein langes Verweilen im Wasser hatte seine Moral auf wunderbare Weise gestärkt. »Morgen am späten Vormittag spazieren wir schon am Flußufer zum Meer hinunter.«
Wir aßen von dem Schildkrötenfleisch, drängten uns dicht an das große Feuer, das die Nachtschwärmer von uns abhalten sollte, und verfielen danach in einen ohnmachtsähnlichen Schlaf. Sechs Stunden vor Sonnenaufgang wachten wir wieder auf - wir hatten zwölf Stunden durchgeschlafen - und vertrieben uns die Zeit damit, die Reste des Schildkrötenfleischs zu essen. Anna schnitt mir etwas später mit dem Skalpell das Haar, bis ich nur noch raschelnde, plastiklaminierte Stoppeln am Kopf hatte.
Kurz darauf bestieg ich den größten Baum der Insel. Ich hoffte, von
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