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Video-Kid

Video-Kid

Titel: Video-Kid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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einen planetenweiten Aufruhr hervorgerufen, was sage ich, eine ausgewachsene Revolution! Deine Bänder gelten als die größte künstlerische Leistung unserer Geschichte!« Starkbein ruderte wild mit den Armen in der Luft herum. »Alles an Bord, Leute. Heim gehts nach Telset, wo wir einem Helden den gebührenden Empfang bereiten wollen!«
    Halb geschoben und halb gezogen gelangten Anna und ich aufs Schiff, wo uns sofort die brüllenden, jubelnden Seeleute umringten. Sie rissen uns die letzten Stoffetzen vom Leib, um ein Souvenir zu haben, verlangten Autogramme und wollten immer wieder Erklärungen für die planetenweite LiveÜbertragung hören. Starkbein warf kraftvoll den Schiffsmotor an, und die Kielwasserströmung hätte fast die kleine Hütte, die Anna und ich für uns gebaut hatten, zum Einsturz gebracht. Nach kaum anderthalb Stunden waren wir in Telset.

13
     
    Der Empfang, der uns bereitet wurde, war eine Mischung aus Machtrausch und barockem Alptraum. Die gesamte Bevölkerung Telsets hatte sich an den Docks versammelt, und auch der Strand war schwarz vor Menschen. Manche standen bis zur Brust im Wasser, weil die hinteren Reihen ständig nachdrängten. Jeder Mann, jede Frau und jeder Klon aus der Stadt schrie sich seine oder ihre Lunge aus dem Hals und zündete aufs Geratewohl gefährliche und riesige Feuerwerkskörper an. Funken und glühende Pulverstückchen regneten pausenlos auf ungeschützte Köpfe und Nacken hernieder. Als wir näher kamen, vereinigten sich die Stimmen zu einem Chor: »Tang-lin, Tang-lin, Tang-lin!«
    »Großmächtiger Gott, so etwas habe ich seit Peitho nicht mehr gesehen«, schrie Anna.
    »Wer hatte denn diese famose Idee?« brüllte ich Starkbein ins Ohr.
    »Münz-Scheinberg, wer denn sonst?« antwortete er.
    Die tobende, wogende Menge stand haarscharf am Rand einer Massenhysterie. Mitglieder der Kognitiven Dissonanzen und der Vierweger bemühten sich, die Ordnung aufrechtzuerhalten. Mir fiel auf, daß sie neue Armbinden trugen, nicht mehr die alten regenbogenfarbenen, sondern dicke Armreifen aus zusammengesetzten Perlen.
    »Geh nach vorn und winke ihnen zu«, rief Starkbein. »Nun mach schon, sonst reißen sie noch die ganze Stadt auseinander!«
    Anna und ich gingen zum Bug, hielten uns an den Händen und winkten. Die Menge schien den letzten Rest an Verstand zu verlieren. Binnen Sekunden standen wir mitten in einer Sintflut von Kameras, die gegeneinander schlugen, sich die Linsen zerschmetterten, sich wie verrückt um sich selbst drehten und völlig irrsinnig durch die Luft rauschten, wenn die einzelnen Wellensignale der Besitzer sich überlappten. Als eine der Kameras Anna am Kopf traf, verlor ich die Beherrschung und fing an, die Geräte mit meinem Nunchuck zu zertrümmern. So dicht drängten die Kameras um uns herum, daß wir die Menschen im Hafen gar nicht mehr sehen konnten und Mühe hatten, uns gegenseitig auszumachen.
    Starkbein reagierte augenblicklich. Er warf die Maschine an und fuhr uns so rasch aus den Docks, daß ich fast über Bord gefallen wäre und Anna sich nur durch den Griff an der Messing-Reling retten konnte.
    Korallen wurden unter dem Boot zermahlen, als Starkbein die Lust aufs Meer hinausfuhr und dabei die gewohnten Navigationskanäle ignorierte. Wir fuhren, bis wir die Insel nicht mehr sehen konnten, und warteten dort bis zum Einbruch der Dunkelheit. Wir sahen uns dabei den Aufruhr auf vier Kanälen an, die alle Münz-Scheinberg gehörten. »Tod und Schmerzen! Sieh sich einer bloß mal an, wie Hammer diesem Nichtkämpfer das letzte bißchen Grips aus dem Schädel prügelt!« bemerkte ich anerkennend. »Und da, Eisdame, sie peitscht den Mann ja in Fetzen! Die Kognitiven Dissonanzen mischen wirklich unter den Zivilisten auf! Was zum Höllenhenker geht hier eigentlich vor?«
    »Ach ja, Frostfaktor, dein alter Freund, ist jetzt Mitglied der Neuen Kabale«, erklärte mir Starkbein. »Er ist dort für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung zuständig, und genau dieser Aufgabe kommt er im Augenblick nach. Natürlich ohne Schußwaffen. Das Leben in Telset war in den letzten drei Monaten nicht ganz einfach. Angelhecht hatte nämlich eine Reinigungsaktion durchgeführt. Achtzig Menschen sind dabei hingerichtet worden. Und dann war da noch das Verhängnis der Entkriminalisierten Zone. Sieh auf Bildschirm vier, dort erscheint gleich das, was von der Zone übriggeblieben ist.«
    »Gottvater!« rief ich. »Man hat sie ja dem Erdboden gleichgemacht!«
    »Ja. In

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