Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Video-Kid

Video-Kid

Titel: Video-Kid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
Vom Netzwerk:
»Ich wünschte nur, damals wäre es auch so sauber und bequem zugegangen.«
    »Ich denke, ich werde den Namen beibehalten«, sinnierte sie und grub mit einer nackten Zehe im Sand. »Ich mag diesen Namen, warum soll ich ihn also nicht behalten? Von nun an werde ich nur noch das tun, was ich will.«
    »Und was willst du tun?« fragte ich. Etwas Furchtbares geschah mit mir. Mein Mund war wie ausgedörrt, und mein Herz schlug so wild gegen die Rippen wie ein Verrückter an seine Zellentür.
    »Ich will jetzt tanzen.«
    Ich stand auf. »Gut, dann bringe ich es dir bei.«
    »Nein«, sagte sie, »ich bringe es dir bei. Zuerst malen wir das Rad mit den acht Speichen in den Sand. Siehst du, so.« Sie bückte sich und zeichnete mit den Händen einen weiten Kreis in den nassen Sand. Ich zitterte so sehr, daß ich die Augen schloß. Ich wollte sie nicht sehen, fürchtete, es könnte zu früh geschehen. Dann riß ich mir die Kleidungsreste vom Leib und warf sie auf den Sand … »Die Männer stehen auf dieser Seite und die Frauen auf der anderen. Auf den ersten Blick sind wir nur zwei, aber in Wahrheit sind wir vier: du und dein anderes Ich; ich und mein altes Ich. Also, fangen wir an.«
    Der Tanz währte nicht sehr lange. Rasch lagen wir im Sand und vereinigten unsere Körper, liebten uns wie Götter. »Rominuald«, stöhnte sie, und ich schauderte in ihrer Umarmung, denn der Name schien zu Recht ausgesprochen.
     
    Dann kam der Tag, an dem wir schon fünf Monate am Strand lebten. Wir hatten aus diesem Anlaß mit einem Haken aus Fischknochen einen ziemlich großen Rochen gefangen und brieten ihn über einem Freudenfeuer. Später erzählten sie uns, daß die dünne, hohe Rauchfahne sie auf uns aufmerksam gemacht hätte.
    Wir hörten das Boot kommen und versteckten uns zwischen den Mangrovenpflanzen. Sie hätten uns nie gefunden, wenn ich das Boot nicht als Starkbein Nimrods Wasserblatt, die Starkbeins Lust, erkannt hätte.
    Aber selbst dann noch waren wir vorsichtig. Wir zeigten uns erst, als Starkbein und Allrot Dickicht umringt von ungezählten Kameras auf dem Strand standen. Als wir aus dem Mangrovenwald traten, wurden wir von spontanem Beifall und etlichen Hochrufen von Starkbein, Allrot und ihrer fünfköpfigen Mannschaft begrüßt.
    Starkbein und Allrot rannten bereits grinsend auf uns zu. Starkbein drückte mich, und Allrot und seine Gottesanbeterin umarmten Anna. Die Mannschaft sprang von Bord und lief auf den Strand zu. Die Männer brachten noch mehr Kameras mit und ließen diesen historischen Augenblick sogar über einen Satelliten übertragen.
    »Ein Bart, ich fasse es nicht!« rief Starkbein und legte mir die Hände auf die Schultern. »Bist du das wirklich, Kid? Oder sollte ich dich jetzt lieber Tanglin nennen?« Überall um uns herum surrten Kameras, mindestens ein Dutzend. Verlegen sah ich in die Linsen. »Was weißt du über Tanglin?« fragte ich vorsichtig.
    Jack lachte herzlich. »Tod und Schmerzen, Junge, wir haben deine Bänder gesehen! Allrot, der Ärmste weiß von nichts! Kid, mein Liebster, deine Bänder waren phantastisch! Du bist ein Held! Und Anna ist eine Heldin! Ihr seid Kult-Idole! Wo steckt denn der arme Armbruster, was? Was ist mit seiner unglaublichen Entdeckung? Wo habt ihr euren geschlechtslosen Gelehrten versteckt? Ich schwöre, in diesem Neutrum steckt mehr von einem Mann als in jedem von uns!«
    Ich zeigte auf den Baum. Starkbein sah hin. Alle Kameras richteten ihre Linsen darauf. »Sylvaticum pinnatus«. sagte Starkbein geistesabwesend. »Kommt hier eigentlich kaum vor. Was mag ihn wohl so nahe ans Meer verschlagen haben? Hübscher Baum, wirklich.«
    »Es ist Armbrusters Grab«, sagte ich traurig. »Wir haben ihn dort angepflanzt. Es hätte es sicher so haben wollen.«
    »Heißt das, es ist tot?« sagte Allrot und ließ Anna zum erstenmal los.
    »Ein Unfall«, sagte Anna rasch. »In der Masse. Eine furchtbare Krankheit. Der lange Marsch war zuviel für ihn.«
    »Es war ein Märtyrer für seine Sache«, sagte Allrot betrübt. Tränen traten ihm in die Augen. Dieser Satz war dann auch die Anfangszeile seines lyrischen Meisterwerks: »Märtyrer für seine Sache.«
    »Und was hat sich denn so in Telset getan?« fragte ich.
    »Was sich getan hat? Nun, wir haben gewonnen! Die alte Kabale ist nicht mehr! Die Neue Kabale und der Reformierte Vorstand haben alles unter Kontrolle. Deine Bänder haben das bewirkt, Kid, äh, Tanglin. Angelhecht ist tot. Soforttod hat sich ergeben! Deine Bänder haben

Weitere Kostenlose Bücher