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Video-Kid

Video-Kid

Titel: Video-Kid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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üblich hielt der Alien sein Gesicht hinter einem dünnen, weißen Schleier verborgen. Seine falsche menschliche Haut wirkte recht rauh und gummiartig. »Ich werde wohl nie verstehen, warum es den Menschen nicht erlaubt ist, sich aufessen zu lassen.«
    Als die Nacht hereingebrochen war, sahen Armitrage und ich uns einen Teil der Hologramm-Vorstellung vom Strand aus an, wo Mitglieder und Anhänger der Kognitiven Dissonanzen frisch gefangenen Fisch über einem Feuer aus Treibholz brieten. Ich hatte schon seit Wochen mit keinem Kog mehr gesprochen und freute mich deshalb über die Begegnung. Der Fisch war gut, die Nacht war gut, und die Drogen waren erst recht ausgezeichnet. Selbst die kitschigen alten Hologramm-Projektionen, aufgemotztes, langweiliges Zeugs, an dem nur die Alten Spaß fanden, waren immerhin spaßig genug, um sich darüber halbtot zu lachen. Vom Strand aus konnten wir die titanischen, überladenen Holos nicht richtig sehen. Andererseits waren die Farben wohl auch etwas verwackelt.
    Ich hatte nicht vorgehabt, die Kogs am Strand zu treffen, aber Armitrage hatte mich subtil dorthin gelenkt; nicht ohne eigenes Risiko, denn er hatte kleinere Händel mit Millionen Masken. Aber am Strand waren alle guter Dinge, und Kameradschaft herrschte vor; allerdings nur, bis Armitrage sich mit Kette unterhielt. Ich saß nahe genug, um alles mitzubekommen, denn ich hatte schon seit einiger Zeit fasziniert auf die Ringe und Glieder von Kettes leichtem Panzerhemd gestarrt. Unter Einfluß des Weißen Lichts wirkte das Funkeln ihres Gewands tausendfach verstärkt.
    »Ich habe heute mit Hirn gesprochen«, begann Armitrage vorsichtig und unverdächtig.
    Kette verzog kaum das Gesicht. »Na und?«
    »Er war lange mit dir zusammen, Kette.«
    »Unser Split geht dich, glaube ich, wirklich nichts an, Freund.« Sie zögerte, bevor sie meinte: »Ich konnte einfach nicht mehr mit ihm zusammenleben. Er hat uns beide zu Tode analysiert. Hirn ist irgendwie zu losgelöst, zu fern von der Realität, und er kann sich nicht aus diesem Zustand befreien. Irgendwie ist er gescheiter, als es ihm guttut ... und natürlich ist er viel zu überheblich. Das alles hat mich rasend gemacht.«
    »Worte«, sagte Armitrage. Langsam fuhr er fort: »Aber Liebe besteht nicht nur aus Worten, sondern aus viel mehr. Sie wächst in dir, sie hält dich fest, sie wärmt dich, und sie entwickelt sich zu einer eigenen Wesenheit. Sie ist eine verzehrende Kraft, wie das Feuer. Sie schert sich nicht um die Frau, die da meint, sie habe die Liebe im Griff. Sie schert sich nicht um den Mann, der da glaubt, er könne sie durch etwas anderes ersetzen. Wenn du sie bekämpfst, stößt sie dir immer heftiger auf und vergiftet dich. Wenn du sie unterdrücken willst, wirst du nur tiefer in ihr versinken und schließlich in ihr untergehen.«
    »Hast du dir diese Tirade selbst ausgedacht, Armitrage?« Kette lachte höhnisch. »Ich weiß um dein Lotterleben. Du bumst doch alles, was laufen kann. Auf deinen Bändern machst du ja keinen Hehl daraus.«
    »Habe ich je behauptet, das sei die Liebe? Hirn hingegen liebt dich, liebt dich immer noch. Wenn dem nicht so wäre, würde er nicht so hartnäckig danach trachten, sich selbst zu zerstören. Ich rede mit dir darüber, um dich zu retten. Er ist viel zu stolz, um selbst für sich zu bitten.« Armitrage seufzte. »Stolz ist der große Mühlstein an unseren Hälsen.«
    »Langsam fängst du an, mich zu langweilen, Armitrage. Halt lieber den Mund; ich warne dich.«
    »Du bist viel zu stolz, um zuzugeben, daß du ihn auch brauchst.«
    Damit war es um ihre Beherrschung geschehen. Kette schrie ihn plötzlich an und schlug mit einer Tigerkralle nach seinem Gesicht. Armitrage fing sie ab und schlug das Mädchen nieder. Sie hatte ein blaues Auge und forderte ihn. Sie kamen überein, sich in einer Woche zu treffen: Armitrage mit seiner vollen Kampfausrüstung gegen Kette mit ihrer beschwerten Manrikigusari. Danach verschwand Armitrage.
    Ich blieb. Zusammen mit Sumo gröhlte ich über Armitrages sentimentales Gerede. Wir stimmten Kette zu, daß Armitrage wirklich immer unerträglicher geworden war. Ja, ich habe mich tatsächlich über ihn lustig gemacht, obwohl ich ihn eigentlich für dieses Verhalten noch mehr mochte. Zugegeben, ich verstand seine Motive nicht, aber Freunde sind einem um so teurer, wenn etwas Rätselhaftes an ihnen ist.
    Ich aß mich an dem Fisch satt und wanderte dann ein paar Schritte am Strand entlang, um mich hinzulegen und nur

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