Video-Kid
Hämorrhagie.
Ich hob meinen Nunchuck auf und sprang in den Palankin zurück, wobei mich der höfliche und irgendwie auch eingeschüchterte Applaus der Zuschauer begleitete. Wenn sie eine längere und blutige Auseinandersetzung erwartet hatten, so waren sie jetzt sicher enttäuscht, aber ich wollte nicht mit einem plumpen Schlagabtausch Zeit verlieren, nur damit ein anderer tolle Aufnahmen machen konnte. Ich zog die Decke der Sänfte wieder zu, um allein zu sein, und meine Klientel hob den Palankin mit Ächzen und Grunzen wieder hoch. Ich verrieb Salbe auf meinen Lippen, um die Schwellung zu stoppen. Mein Prahlen, ihm den ersten Schlag zu lassen, hatte mir leider eine Blessur beschert, aber man kann kaum einen besonderen Ruf erwerben, wenn man keine Risiken eingehen will.
Die Träger folgten den Instruktionen, die Frost mir vorher gegeben hatte, und kämpften sich zu dem Platz durch, an dem ich der Hologramm-Vorführung beiwohnen wollte. Ein namenloser Flegel hatte sich nicht entblödet, seinen Palankin auf meinen Platz zu stellen. Ich befahl meinen Trägern, ihn umzustoßen und ihm ein paar derbe Tritte zu verpassen. Wir sahen ihm zu. wie er davonkroch, während wir seine Sänfte zertrümmerten.
»Ärger, Ärger, Ärger, nichts als Ärger«, bemerkte eine verzerrte, vibrierende Stimme. Sie gehörte meinem besten Freund, dem wohlbekannten Kampfkünstler Armitrage. Eine wunderbare, dunkle junge Frau hing an seinem linken Arm, und ein hübscher, etwas erschrocken wirkender junger Mann an seinem rechten. »Dies hier sind meine zwei neuen Jünger«, erklärte er, als er meinen fragenden Blick bemerkte. »Fürs erste magst du sie als Jonquille und Koralle ansprechen.« Er drückte sie beide an sich. »Fürchtet euch nicht, liebe Jünger, ich werde euch schon vor diesem üblen Raufbold beschützen.« Jonquille und Koralle kicherten schüchtern hinter vorgehaltener Hand. Ich erfuhr leider nie, wer von beiden welchen Namen trug.
Armitrage und ich standen einander so nahe, daß wir nur noch zum Spaß die Riten der Verkleidung einhielten. »Es freut mich, sowohl dich als auch deine anmutigen Tausendschönen hier zu sehen, teurer Fremder im Puppengewand«, sagte ich, lud ihn in meinen Palankin ein und bot ihm einen gewürzten Eislutscher an. Quadra, die unentbehrliche Seele des Haushalts, die mir, ohne zu murren, die ganze Zeit über gefolgt war, eilte heran, um den beiden Gespielen meines Freundes Zuckerfleisch zu reichen.
»Wo hast du deine Sänfte gelassen. Armi?« fragte ich ihn.
Er zuckte die Achseln. »Hab sie irgendwo zurückgelassen. Tod und Schmerz noch eins, diese Harlekinaden ersticken jegliche Contenance in mir.« Er leckte gedankenverloren an seinem Lutscher. »Hier ist es mindestens so heiß wie auf dem Morgenstern. Ich kann mich nicht erinnern, jemals einen solchen Menschenhaufen gesehen zu haben, selbst auf Band nicht.« Ich nickte. »Vor einer Weile habe ich Scheinberg gesehen«, erklärte er. »Er war in der Begleitung seines Außenweltlers.«
»Nicht möglich«, entfuhr es mir.
»Er lernt einfach nicht dazu«, meinte Armi traurig. »Und selbst wenn er einmal etwas lernt, vergißt er es bald darauf wieder.«
»Wohl wahr«, sagte ich. Selbst für einen alten Mann war Scheinberg ungewöhnlich anfällig für Gedächtnislücken. Viele glaubten, Scheinberg sei schlicht besonders vergeßlich, aber ich war viel eher davon überzeugt, daß es sich dabei nur um einen seiner Manierismen handelte. Scheinberg war meiner Beobachtung nach ein viel zu heller Kopf, um über ein getrübtes Erinnerungsvermögen zu verfügen.
»Wie ich hörte, suchen die Klon-Brüder nach dir«, sagte Armitrage. »Ich dachte, du hättest alle Angelegenheiten mit ihnen bereinigt.«
»Davon bin ich auch ausgegangen. Nun denn, wenn sie nicht lernen wollen, so bin ich gern bereit, ihnen eine gründliche Nachhilfestunde zu gewähren.«
»Soll ich dich heute begleiten, falls es Ärger gibt?«
»Nein, trotzdem besten Dank.«
Armitrage zuckte wieder die Achseln. »So ist mein lieber Kiddy: stolz und unnachgiebig.« Er lehnte sich geziemend im Palankin zurück.
Die meisten Sänften auf den Zuschauerrängen hatte man abgesetzt, und die meisten Inhaber waren ausgestiegen, um sich die Beine zu vertreten, sich zu zeigen und hier und da ein Schwätzchen zu halten. Überall um uns herum drängten sich Kampfartisten mit ihren jugendlichen Anhängern. Ich entdeckte einige Mitglieder der Vierweger, der Zerfleischer und der Perfekten
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