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Video-Kid

Video-Kid

Titel: Video-Kid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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das Geräusch der Brandung zu hören. Ich legte den Nunchuck zusammen und legte meinen Kopf darauf. Die Umspannung stammte von mir, aber der Nunchuck selbst war ein ganz besonderes Erbstück meines alten Herrn. Man hatte es auf Niwlind für ihn als Spezialanfertigung hergestellt. Seine Paranoia mußte damals gerade wieder einen ihrer Höhepunkte erreicht haben. Der Boden der beiden Stöcke ließ sich mit einer raschen Handbewegung abschrauben und setzte so die Mündungen einschüssiger Projektilwaffen frei.
    Ich hatte die Gewehre früher ausprobiert, wenn ich allein am Strand war. Jeder Schuß hatte ein Loch in den nassen, klebrigen Sand gebohrt, das größer war als mein Kopf. Allerdings waren Schußwaffen in der Zone durch den Code verboten, genauso wie Blankwaffen. Klappmesser, Explosivstoff und alle anderen Waffen mit unmittelbar tödlicher Wirkung. Selbst meine besten Freunde bei den Kognitiven Dissonanzen wären durch den Ehren-Code dazu verpflichtet gewesen, mich für den Besitz einer solchen Waffe zum Krüppel zu schlagen, wenn sie nur davon wüßten. Und wenn ich die Gewehre gegen jemanden eingesetzt hätte, hätten sie mich gerifft: Sie hätten meine Füße dick mit Ketten umwunden und mich dann als Nahrung für die Rochen ins Riff geworfen.
    Andererseits war dieser rot und weiß gestreifte Nunchuck mein Lieblingsstück. Es gefiel mir, eine Art Geheimwaffe in der Reserve zu haben, sozusagen als zusätzliches As im Ärmel. Auch das hatte ich wohl vom alten Tanglin geerbt.
    »Pst!« Ich hörte das zischende Geräusch kaum. Voll wie ein Schwamm, konnte ich mich kaum regen. Das Geräusch ertönte wieder, und dieses Mal drehte ich mich um.
    Hirn war dort. Er lag, alle viere ausgestreckt, im harten Marschgras, etwa vier Schritte entfernt. Durch eine Lücke in den breiten Halmen sah er nach mir. Von seinem bunten Kostüm war nichts zu sehen.
    »Hirn!« sagte ich.
    »Nicht so laut!« zischte er. »Ich habe mich heimlich an den Strand geschlichen, denn ich will nicht gesehen werden.«
    Ich kroch zu Hirn und fand ihn in einer Senke außerhalb der Hörweite der restlichen Kogs. Aber die führten gerade einen rituellen Tanz auf und achteten ohnehin nicht auf ihre Umgebung. »Runter, runter mit dir«, beharrte Hirn und drückte sich in den Sand. »Ich darf hier nicht gesehen werden. Sie sitzt ja gleich dort drüben.«
    »Tod und Schmerzen, Mann«, sagte ich. »Du führst dich wirklich lächerlich auf, Hirn-Baby. «Hirn klopfte sich mit der Handwurzel an die transparente Platte in seinem Schädel. »Ist das der Dank, den ich zu erwarten habe? Hör zu, Kid, ich habe wichtige Neuigkeiten. Wegen dieser Frau da wäre ich sonst sicher nicht durch die halbe Stadt gelaufen.«
    »Also gut, dann schieß mal los.«
    »Deine Haushälterin. Diese große Frau mit den Armen wie Bleistifte. Sie ist fort. Die Klon-Brüder haben sie entführt.«
    Ich sah ihn wütend an. »Meine Anhängerin? Meine Bedienstete? Aber das ist eine Beleidigung, die nur mit Blut getilgt werden kann! Anhänger sind geschützt. Die Klons wollen also eine Blutfehde!«
    Hirn schüttelte den Kopf. »Ich hörte davon, daß sie dich heute gefordert haben. Nun wollen sie dich eben dazu bringen, mit ihnen zu kämpfen.«
    Ich richtete mich ruckartig auf. »Ich alarmiere die Kogs. Damit sind sie entschieden zu weit gegangen. Diese Übertretung ruft uns alle auf den Plan. Zumindest Frost und Eisdame ...«
    »Nein, nein!« entgegnete Hirn hastig. »Laß die anderen aus dem Spiel!« Er bewegte mich dazu, mich wieder hinzulegen. »Denk doch mal nach, Kiddy. Wozu brauchst du einen ganzen Trupp Kogs, um einen leichten Sieg einzufahren? Dein größtes Szenario könntest du durchziehen! Der Held, der zur Rettung eilt, und so weiter. Und ich helfe dir, sie aufzuspüren.
    »Du?« fragte ich.
    »Klar, warum denn nicht? Wir haben doch bei den Kogs immer gut zusammengearbeitet. Habe ich dir nicht die Neuigkeit überbracht? Bist du mir jetzt nicht noch etwas schuldig? Komm, hilf mir, Kiddy. Du weißt, daß ich die Kogs verlassen habe. Ich will es im Alleingang versuchen. Ein Band zusammen mit Video-Kid würde mir da sicher hilfreich sein. Nun sag schon ja, bitte.« Ich sah ihn skeptisch an. »Bist du denn bereit zum Kampf?« »Ich bin immer in Bestform«, sagte Hirn leicht beleidigt und spannte die Armmuskeln an. Er betrieb ein fanatisches Fitneß-Training. Vielleicht lag es an seinem mangelnden Humor, daß er nie bis ganz nach oben gekommen war. »Es sind doch nur drei. Den vierten

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