Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Video-Kid

Video-Kid

Titel: Video-Kid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
Vom Netzwerk:
daß ich auch nach ihnen suche.« Er verschwand in der Dunkelheit.
    »Warte!« rief ich ihm hinterher. Als er mir antwortete, hallte seine Stimme schon von den umgestürzten Mauerwänden unheimlich verzerrt wider. »Mach dir mal keine Sorgen. Ich scheuch sie schon auf!«
    Diese Unbesonnenheit war so untypisch für Hirn, daß ich zum ersten Mal an diesem Abend stehenblieb, um gründlich meine Lage zu überdenken. »Das riecht nach einer Falle«, sagte ich laut für die Kameras, »verdammt nach einer Falle.« Aber das schien mir kaum möglich zu sein. Hirn hatte mir schon zu oft beigestanden. Rücken an Rücken hatten wir gekämpft, hatten einander die Bänder montiert, als ich noch ein Neuling war und er bereits ein gestandener Veteran … Sollte Hirn mir etwa meinen Erfolg so neiden, daß er mich hinterging? Aber nie und nimmer würde er sich dazu mit den ungeliebten Klon-Brüdern verbünden.
    Ich wäre am liebsten auch durch die Ruinen gekrochen, um nach den Klons zu suchen, aber leider hatte ich meine Infrarotbrille vergessen. Dummerweise war sie im Palankin liegengeblieben. Ich konnte gut genug sehen, um meinen Weg über den Platz zu finden, aber für einen Kampf war es mir entschieden zu dunkel. Wenn ich in dieser Nacht auf die Klons treffen sollte, dann nur an der Statue von Moses Moses, im Schein der Flutlichter.
    Ich suchte mir meinen Weg durch das Unkraut und die hüfthohen Stücke geborstenen Mauerwerks und sah mich nach einer Gegend mit sicherem Stand und einigem Bewegungsspielraum für meine Füße um. Ein orangefarbenes Treiblicht schwebte, seiner rudimentären Programmierung folgend, zu mir, und meine Kameras schalteten neue Linsen vor. Etwa sechs Meter vom Sockel der Statue fand ich ein geeignetes Gebiet von etwa vier Quadratmetern Größe. Jemand schien dort vorsätzlich allen Schutt fortgeräumt zu haben. Alles Geröll war irgendwie auf eine Seite geräumt, fort von der Statue, und nur Kratzspuren im Staub kündeten davon. Die zerstörten Teile hitzeverbrannter Fliesen verwiesen darauf, daß sich hier einst die Eingangshalle des Präsidentensitzes befunden hatte.
    Vielleicht hatten die Klon-Brüder selbst dieses Stück freigemacht, weil sie davon ausgingen, daß ich hier vorbeikommen würde. Das Ganze wirkte sehr verdächtig. Ich suchte die umliegenden Trümmer nach Fallen oder Verstecken ab, in denen sich die Klon-Brüder verstecken konnten. Aber ich entdeckte nichts. Der Boden unter meinen Füßen war fest und gut beleuchtet. Zufrieden begann ich herumzulaufen, die Muskeln zu entspannen, die Lungen freizubekommen und meine katabolischen Übungen durchzuführen.
    Plötzlich hörte ich aus der Dunkelheit ein Geräusch. Ich stellte mich sofort in Verteidigungsposition hin. Eine leuchtende, weiße Gestalt löste sich aus dem Dunkel und kam auf merkwürdige, fast schwebende Weise auf mich zu. Krachend richteten sich meine Haare auf.
    »Video-Kid? Sie sind es doch, nicht wahr?« Ich erkannte die Stimme sofort: Sanktanna Zwiegeboren. Als sie ins Licht trat, sah ich, daß sie wie üblich das schlotternde, weiße Heiligengewand trug. Ein formloser Sack, der um den Nacken und um die Fuß- und Handgelenke fest schloß.
    Ich zog meine nun nichtige Dominomaske vom Gesicht. »Ja, ich bin es. Was tust du hier draußen? Nach der Harlekinade wird es in der Zone wieder gefährlich. Du hast ja nicht einmal eine Waffe bei dir.«
    »Wir haben uns versteckt«, sagte die Heilige. »Eine monströse Kreatur ist vor gar nicht langer Zeit hier vorbeigekommen. Sie hatte große, stachelige Hängebacken und einen platten Schweinerüssel. Und an ihren riesigen, schrecklichen Armen steckten krallenbewehrte Finger. Das Wesen war nackt und hatte statt Füßen Hufe. Die Beine waren nach hinten gebogen. Es hat furchtbar gestunken. Ich habe heute schon einige gräßliche Kostüme gesehen, aber das war keine Verkleidung, Herr Kid, sondern real!«
    »Aus deinem Mund hört sich das ja wirklich furchtbar an«, lachte ich. »Das war doch nur Geißler, der Wasserspeier der Zone. Er ist sehr langsam; und sehr dumm. Nachdem er über die Maßen chirurgisch verändert worden ist … na, danach ist man halt nicht mehr der schnellste. Ich könnte ganz einfach auf seinen Rücken steigen, nicht aufwendiger, als würde ich ein Insekt zerquetschen.« Ich dachte kurz nach. »Nein, nicht so, ich mag Insekten nämlich.«
    »Er hat uns aber große Angst gemacht.«
    »Warum sprichst du dauernd von ›uns‹?« fragte ich ungeduldig. »Ist noch jemand bei

Weitere Kostenlose Bücher