Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Video-Kid

Video-Kid

Titel: Video-Kid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
Vom Netzwerk:
gefahren sein, als sie so unvermittelt mit der Rückkehr des Gründers konfrontiert wurde. Ein unerwarteter Notfall war für die heimlichen Herrscher eingetreten, und die lange Zeit der Untätigkeit hatte ihre Effektivität beeinträchtigt. Man kann eben nicht beides, rasch handeln und im Verborgenen wirken.
    Ich war mit der Seepeitsche schon seit zwei Monaten nicht mehr in See gestochen, und mittlerweile hatte sich ein dichter Grasbewuchs auf der Hülle festgesetzt. Wir gingen an Bord und legten ab. Das Boot kam schlecht voran. Nur eine milde Nachtbrise wehte über das Riff. Ich steuerte den Kanal an und hielt mich konstant etwa achthundert Meter vom Ufer entfernt. Dort liefen wir am wenigsten Gefahr, den Rumpf an Korallen aufzureißen.
    Inzwischen tat mir alles weh. Ich nahm noch mehr Smuff ein und hörte bereits ein verräterisches Sausen in den Ohren. Ich verließ den kleinen Schandeckel und legte mich flach auf das Deck, damit ich nicht versehentlich über Bord fallen konnte. Mit meinem Gleichgewicht stimmte nichts mehr. Auch der Hunger machte sich bemerkbar, aber das einzige Eßbare, das wir an Bord hatten, waren vier alte Tafeln synthetischer Eininsel-Schokolade. Ich aß sie in kleinen Stücken auf.
    Sanktanna stellte Moses Moses ihre alles andere als ausgewogene Sicht der planetaren Geschichte dar. Der Gründer nickte unentwegt und sagte immer wieder: »Tatsächlich? Unvorstellbar, unglaublich!« Moses Moses war mindestens dreihundert subjektive Jahre alt, wahrscheinlich näher an den dreihundertfünfzig, aber er hatte die Lust am Leben noch nicht verloren. Für ihn mußte die Wiedererweckung so etwas wie eine Neugeburt sein. Er versicherte mir, er könne die Seepeitsche steuern, und natürlich wüßte er, wo Aussichtspunkt lag, obwohl zu seiner Zeit niemand dort gelebt hatte. Ich rollte mich zufrieden an Deck zusammen und schlief ein.
    Wir erreichten Zasterpflaster etwa zwei Stunden nach Mitternacht. Eine Harlekinade-Party war irgendwo unten am westlichen Hang von Aussichtspunkt in einem der Strandhäuser Münz-Scheinbergs immer noch in vollem Gange. Auf dem Gipfel des Hangs entdeckte ich hinter einem der schweren Spiegelglasfenster in Scheinbergs Privatgemächern Licht. Niemand, bis auf Scheinberg und seine Frau Annabella, durfte seinen Fuß dort hineinsetzen. Selbst der getreue Diener Kreidepfeifer bildete keine Ausnahme. Scheinberg hütete die drei Privatzimmer wie seinen Augapfel. Ich war froh, daß mein Freund und Gönner noch wach war und sich nicht in der üblichen Begleitung von Kriechern und Nichtstuern befand.
    Wir vertäuten das Boot direkt neben seiner Albatros an Scheinbergs Dock. Ich warf einen Blick auf Moses Moses und lachte. »Hinter dieser Brille erkennt dich sicher niemand«, sagte ich. »Zumindest in diesem Punkt brauchen wir nichts zu befürchten.« Wir verließen die Seepeitsche und stiegen den Hang hinauf, bis wir vor einer der unzähligen Türen von Zasterpflaster standen. Ich rüttelte daran, aber sie war verschlossen. Ich läutete und wartete. Endlich öffnete sich die Tür einen Spalt weit. Kreidepfeifers Gesicht sah mich an. »Hallo, Kid«, sagte das Neutrum. »Was ist denn los?«
    »Mach auf, Kreidepfeifer«, antwortete ich barsch. »Ich muß dringend mit Scheinberg reden.«
    Kreidepfeifer machte eine bedauernde Miene. »Tut mir leid«, sagte es, »aber ich habe strenge Anweisung, niemanden ins Haus zu lassen. Warum geht ihr nicht hinunter an den Strand und zerstreut euch auf der Party? Scheinberg wird dort irgendwann vor Sonnenaufgang erscheinen.«
    »Ich bitte um Verzeihung, Kreidepfeifer, aber hier handelt es sich um einen Notfall.« Ich schlug ihm den Nunchuck auf den Kopf, und es fiel mit rudernden Armen zu Boden. Ich trat ein. Wir zogen Kreidepfeifer auf einen bequemen Teppich und schlossen die Tür hinter uns ab. Unser Weg führte uns durch holzverkleidete Korridore, die verschwenderisch mit Mobiles und anderen Kunstwerken ausgestattet waren, zu den Privatgemächern des Hausherrn. Scheinberg mußte unser Vordringen auf einem hausinternen Überwachungsgerät verfolgt haben, denn er öffnete die massive, gutgeölte Tür, bevor wir sie erreichten.
    »O Kid!« sagte er. »Was für ein bauerntölpelhafter Auftritt!« Mit einer unsicheren Handbewegung schickte er uns in einen reichgeschmückten Salon am anderen Ende der Halle. Hinter ihm erschien seine Frau Annabella, zog die Tür zu und verschloß sie ostentativ mit einem Daumendruck. Wir hörten, wie schwere Bolzen und

Weitere Kostenlose Bücher