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Video-Kid

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Titel: Video-Kid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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wahrscheinlich Gerüche, aber da bin ich mir nicht so sicher. Einige Male haben sie mich verletzt, aber ich ließ mir die Narben entfernen, als ich nach der Ablehnung des Artenschutzgesetzes ins öffentliche Leben zurückgekehrt bin.
    Damals begann das große Abschlachten. Wir Artenschützer schlossen uns zu einer geeinten Bewegung zusammen. Die Moas stießen auf großes Interesse, und wir erhielten viel Zulauf von Bürgern, die nicht der Kirche angehörten. Bald befanden wir Gläubigen uns stark in der Minderheit, aber aus unseren Reihen kamen aufgrund der moralischen Standfestigkeit und ideologischen Unanfechtbarkeit die Führungskader der Bewegung. Man sah uns als die radikalsten Elemente bei den Artenschützern an - bis es zum Ausbruch der Gewalt kam. Ungefähr zu diesem Zeitpunkt wurde ich heiliggesprochen.
    Ungezählte Male hat man mich während gewaltloser Blockaden oder Besetzungen verhaftet. Fast zwei Jahre habe ich insgesamt im Gefängnis gesessen. Ich sah, wie Menschen bei Unruhen ihr Leben verloren, ich warf mich immer wieder zwischen die kämpfenden Seiten, und oft genug wurde ich verprügelt und zusammengeschlagen. Ich habe Ungerechtigkeit, Haß und Gewalt gesehen und erlebt. Und diese Gewalt war real, hat mir reale Schmerzen bereitet.« Sanktanna warf mir mit sonderbarer Miene einen Seitenblick zu.
    »Mein Verfahren hat zwei Jahre gedauert. Ich bin davon überzeugt, daß Frau Tanglin etwas im Hintergrund gedreht hat, obwohl sich so etwas leider nicht beweisen läßt, denn dafür ist sie viel zu gerissen. Die Bewegung hat bei diesem Verfahren alles aufgeboten, was ihr zur Verfügung stand. Wir wollten die Staatsmacht lächerlich machen und in die Knie zwingen. Aber wir haben verloren. Das Urteil fiel erwartungsgemäß recht milde aus, als wüßten sie genau, daß der Tod der Moas die schrecklichste Strafe war, die sie mir zufügen konnten.
    Das Urteil verbannte mich auf diese Welt. Die Konföderation liebt Niwlind nicht gerade, von daher ist der Nachrichtenaustausch zwischen beiden Welten bestenfalls gering zu nennen. Ich kann nie mehr auf meinen Heimatplaneten zurück, von daher bin ich für Niwlind so gut wie tot, genauso wie es meine Heimat für mich ist.«
    Sanktanna seufzte. »Ich hätte nie geglaubt, jemals einen anderen Ort als das Moor lieben zu können, aber wenn ich jetzt diese Inseln sehe, diesen einmaligen Ozean … Ich denke, ich hätte hier glücklich werden können, wenn die Umstände anders gewesen wären. Der bevorstehende Tod macht mir keine Angst, ich bedaure nur, noch nicht alles hier gesehen zu haben.« Sie verfiel in Schweigen, als gnädigerweise eine Wolke über uns zog und uns in kühlen Schatten tauchte. »Ich schätze, das war alles, was ich zu erzählen habe.«
    Moses Moses und ich sagten nichts. Wir waren beide viel zu sehr von der simplen Aufrichtigkeit ihrer Geschichte bewegt, wenn auch jeweils aus anderen Gründen. Mir tat Anna leid. Ich zweifelte nicht eine Sekunde daran, daß Zanks Pritzgift Tanglin die Karriere der Artenschützerin vernichtet und sie ins Exil geschickt hatte. Was für eine Chance hatte die arme Anna, nicht mehr als Tanglins Schachfigur, gegen die boshafte Frau gehabt, die selbst den Alten Herrn zu vernichten vermochte? Genausogut hätte ein Fünfjähriger seine kleinen Fäuste gegen einen Kampfkünstler recken können.
    Eine Mischung der extremsten Emotionen, vom Trivialen bis zum Hehren, spülte durch mein Bewußtsein wie der synergetische Effekt eines Dutzends unterschiedlichster Drogen. Verzweiflung über unsere Lage, Trauer über den Tod meines besten Freundes Armitrage (ich spürte den Verlust jetzt besonders schmerzlich … wieviel Vergnügen und Befriedigung hätte ihm Sanktannas Lebensgeschichte bereitet!), Mitleid mit Anna, wie bitter sich die Ironie zuweilen zeigte, meine eigene harte Selbstbeherrschung, einiges mehr und über allem ein eigentümlicher universeller Humor, der jenseits dieses menschlichen Elends stand und auch jenseits aller Gefühle. Ich lächelte und drehte mich gewohnheitsmäßig so, daß meine Kameras mich aus dem günstigsten Winkel aufnehmen konnten.
    »Anna, du holst dir einen Sonnenbrand«, sagte ich. »Gestatte mir, dir meine Kampfjacke zu reichen. Sie wird dir Schatten spenden.« Ich trat im Wasser auf der Stelle, löste die Jacke und zog sie aus. »Verliere sie aber nicht«, mahnte ich, »in ihr stecken alle meine Smuffvorräte und die Kamerakontrollen.«
    Ich legte die Jacke so über sie, daß der steife Kragen ihr

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