Viel Laerm um Stratfield
erklären müssen. Ja, ich würde den Mann, den ich liebe, gerne meiner Familie vorstellen. Er ist seit einigen Wochen tot, aber lasst euch dadurch nicht abschrecken. Es hat mich auch nicht entmutigt. Wo wir uns kennengelernt haben? Hm, in der Truhe mit meiner Unterwäsche. Wo er lebt? Nun, im Haus seiner Ahnen - zumindest in den Mauern des Hauses ...
„Ja", fuhr Tante Gwendolyn fort, „ich glaube, Chloe hat ihr Herz an unseren lieben Justin verloren, und die beiden würden ein bezauberndes Paar abgeben, selbst wenn Pamela ihn nicht mag. Ich glaube, das wäre eine Verbindung, der die gesamte Familie zustimmen könnte. Lass sie uns nicht in ihren Anfängen ersticken."
Chloe wusste nicht, ob sie erleichtert sein oder lachen sollte. „Gütiger Himmel! Ich bin nicht in Justin verliebt. Ich kenne ihn doch erst... " Nun, kürzer, als sie Dominic kannte, aber sie konnte die beiden Männer ebenso wenig vergleichen wie die Gefühle, die sie in ihr auslösten. Dominic war so viel komplizierter, so dunkel und verführerisch. Justin war der Mann, den ihr Vater sich für sie gewünscht hätte. Vor nicht allzu langer Zeit hatte sie ihn selbst noch für einen guten Fang gehalten.
Sie nahm einen tiefen Atemzug. „Ich glaube, es ist an der Zeit, dass ich euch die Wahrheit sage, Tante Gwendolyn. Devon ist heimlich hierher gekommen, damit ich ihm helfe. Ja, ich weiß, dass es falsch von mir war, eure Gastfreundschaft auszunutzen, aber er ist immerhin mein Bruder, und ..."
„Er ist auch mein Neffe", unterbrach ihre Tante sie ziemlich ungeduldig. „Und ich glaube doch, dass ich den Tunichtgut ebenso sehr liebe wie du, Chloe. Ich weiß sehr genau, dass Devon heimlich in deinem Zimmer war. Sieh es als Gefälligkeit meinerseits, dass ich nichts dagegen unternommen habe."
Chloe spürte, wie ihr die Röte in die Wangen stieg. „Ich kann einfach nicht glauben, dass du es wusstest. Allem Anschein nach habe ich euch wieder enttäuscht."
„Ich verstehe durchaus, was Diskretion ist, Chloe, und ich kenne auch die Bedeutung von Loyalität gegenüber der Familie. Auch ich habe ein wenig Boscastle-Blut in den Adern, wenn du dich erinnerst."
„Ja", erwiderte Chloe kleinlaut. Sie bemerkte den belustigten Blick ihres Onkels.
„Ich bin nicht dumm, Chloe", fuhr Tante Gwendolyn fort. „Und auch meine Sinne sind nicht getrübt. Ihr habt neulich nachts einen ziemlichen Lärm in deinem Zimmer veranstaltet, du und Devon. Es klang, als hättet ihr Volkstänze geübt."
Volkstänze. Chloes Gesicht brannte jetzt regelrecht. Ihre Tante konnte nur den Abend meinen, an dem sie Dominic in ihrem Ankleidezimmer gefunden hatte. Den Abend, an dem er sie aufs Bett geworfen und zu Tode geängstigt hatte. Ein Intermezzo, das Chloes Leben für immer verändert hatte.
„Es tut mir leid, wenn ich euch gestört habe", sagte Chloe nach einer unbehaglichen Pause.
Tante Gwendolyns freundliches Gesicht verdunkelte sich mit einer Mischung aus Kummer und Wut. „Ihr habt mich nicht gestört. Was mich wirklich stört, ist dieser Geist."
„Glaubst du wirklich, dass du Stratfields Geist gesehen hast, meine Liebe?", fragte ihr Ehemann vorsichtig. „Und warum sollte er vor unser Haus reiten, wenn er es war?"
„Die Antwort ist doch vollkommen offensichtlich, Humphrey", entgegnete sie. „Der Mann fleht uns an, sein Leid zu beenden."
„Tun wir das nicht alle?", murmelte er.
„Und mir", verkündete sie, „ist es heute Abend offenbar nicht gelungen, ihn erfolgreich zu bannen." Verdrossen wandte sie sich wieder Chloe und Humphrey zu. „Ich fürchte, dass ich ihn aufgebracht haben könnte, anstatt ihm seine Ruhe wiederzugeben. Er bittet mich um Hilfe, Humphrey, und ich darf ihn nicht im Stich lassen."
Dominic beobachtete die große, blonde Gestalt, die in das heruntergekommene Mühlenhaus stolzierte. „Ich hätte dir beinahe deinen hübschen Kopf weggeschossen, Adrian", sagte er verärgert. „Was, zum Teufel, hast du um diese Uhrzeit hier zu suchen?"
Der unangekündigte Besucher war Adrian Ruxley, Viscount Wolverton, Berufssöldner, verlorener Sohn und Erbe eines Herzogtums. Mit einem schiefen Grinsen zog er seine ledernen Reithandschuhe aus und setzte sich auf den Boden vor der Falltür, aus der Dominic erst kürzlich aufgetaucht war. Durch sein kurzes blondes Haar wurden die kantigen Züge seines gebräunten Gesichtes angenehm betont. Seine haselnussbraunen Augen wirkten besorgt. „Dominic, alter Freund, jetzt machst du mir wirklich Angst. Wir hatten uns
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