Viel Laerm um Stratfield
Brandy umschmeicheln, bis sie wieder bei Sinnen war? Oder, was, seiner teuflischen Reitgeschwindigkeit nach zu urteilen, wahrscheinlicher war, würden sie beide zu Tode stürzen, bevor irgendwelche derartigen Verrücktheiten vonstatten gehen konnten?
Chloe dachte gerade über diese letzte, unangenehme Möglichkeit nach, als sie auf wundersame Weise auf ein freies Feld kamen, nachdem sie zuerst noch durch einen Haselnusshain geflogen waren.
Sie starrte auf die trostlose Landschaft, und das Herz schlug ihr bis zum Hals. „Mein Haus", stellte sie überrascht fest.
„Stellen Sie sich das nur vor", sagte er gedehnt und drehte den Kopf leicht herum. Dabei blickte er in einer Art und Weise auf sie herab, die ihr zeigte, dass er doch nicht so sehr mit seinen eigenen Angelegenheiten beschäftigt war, um nicht zu bemerken, wie fest sie sich an ihn klammerte.
Das braunweiße Fachwerkhaus, das unter dem hochtrabenden Namen „Dewhurst Manor" bekannt war, hielt dem Regen stand, wie es das bereits zwei Jahrhunderte lang getan hatte. Chloe bildete sich ein, ihre Tante sehen zu können, wie sie durch die Spitzengardinen spähte und sich fragte, was wohl aus ihrer rastlosen Nichte geworden war. Wahrscheinlich würde Chloe eine ordentliche Standpauke bekommen, weil sie das Angebot angenommen hatte, mit einem Nachbarn zu reiten, statt bis zu den Knien durch den Schlamm zu waten. Der bedauernswerte Lakai würde sicherlich eine Ohrfeige bekommen.
„Sie hätten mir auch sagen können, dass Sie eine Abkürzung nehmen", murmelte sie, während sie ihre beinah erstarrten Arme von dem starken Männerkörper löste, den sie unverfroren als Regenschutz missbraucht hatte.
Er blickte sich nicht noch einmal um. Aber sie konnte das spöttische Lächeln in seiner Stimme hören, als er ihr antwortete. „Ich sehe keinen Grund dafür, das Offensichtliche zu erklären."
„Natürlich nicht", brummelte sie. Eine Erklärung hätte höfliche Konversation bedeutet. Was für ein griesgrämiger Mann. Es war ihr peinlich, dass sie überhaupt an die Möglichkeit einer Entführung gedacht hatte. Wahrscheinlich besaß er überhaupt kein ordentliches Haus, zumindest nicht in Chis-tlebury. Vielleicht lebte er in einer Höhle. Er wirkte ohnehin eher wie ein Drache als wie ein Ritter. Sie vermutete, dass es zu viel verlangt war, zu hoffen, dass er sie den ganzen Weg bis zur Tür geleiten würde. Andererseits wäre ihre Tante, wenn Chloe mit Galahad im Schlepptau auf der Schwelle erschien, wahrscheinlich in Ohnmacht gefallen.
„Nun", sagte sie und überspielte ihre Gereiztheit mit einem höflichen Lächeln, „es war sehr anständig von Ihnen, sich so viel Zeit von Ihren ..." Von seinen was, fragte sie sich. Davon, wie ein Lehnsherr in alten Zeiten auf der Suche nach Jungfern umherzureiten, die vom Regen überrascht worden waren? „... von Ihren Verpflichtungen genommen haben, um mich zu retten."
Er stieg schweigend ab und half ihr vom Pferd herunter. Ohne jede ersichtliche Anstrengung hob er sie hoch. Als sie seinen Körper streifte, bemerkte Chloe, wie ihre vom Regen kühle Haut sich erwärmte. Er war kräftig gebaut, und seine Berührung war erstaunlich sanft, obgleich sie seine Ungeduld deutlich spüren konnte.
Wenn seine Gedanken auch hundert Meilen weit entfernt schienen, war er offensichtlich doch Mann genug, um zur Kenntnis zu nehmen, dass sie unterschiedlichen Geschlechtern angehörten. Er warf ihr einen äußerst irritierenden, herablassenden Blick zu. „Ich würde Ihnen empfehlen, mein Land künftig nicht mehr zu betreten."
„Das habe ich wohl kaum mit Absicht getan", entgegnete Chloe. „Wissen Sie, ich bin gerade erst aus London hierher gekommen ... "
„Das hörte ich bereits."
Sie trat beiseite, weil er sich wieder seinem Pferd zuwandte. „Sie haben von mir gehört?", fragte sie erstaunt. Unter normalen Umständen hätte Chloe sich möglicherweise ein bisschen geschmeichelt gefühlt, dass ein Mann, dem sie noch nie begegnet war, sich die Mühe gemacht hatte, etwas über sie in Erfahrung zu bringen.
Langsam drehte er sich zu ihr um und blickte sie von oben bis unten an, als hätte er das Verlangen, dies zu tun, die ganze Zeit unterdrückt. Sein Gesicht war hager, die Züge wurden von einer Anspannung überschattet, die Chloe beinahe mit Händen greifen konnte. Sie hielt regelrecht die Luft an bei der mühsam beherrschten Intensität seines Blickes, bei dem männlichen Interesse, das er sie zuvor nicht hatte sehen lassen. Hatte sie
Weitere Kostenlose Bücher