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Viele Mütter heißen Anita

Viele Mütter heißen Anita

Titel: Viele Mütter heißen Anita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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war Nacht, als er in Madrids Vorstädten eintraf. Wieder fuhr er bis zu dem Hotel, wo er zuletzt gewohnt hatte, und er erfuhr hier von dem Portier, daß seine Tochter dreimal das Haus verlassen hatte, jedesmal eine halbe Stunde später, nachdem er in die Bars gegangen war. Da überkam ihn auch noch die erwiesene Schuld seines eigenen Handelns, und dies alles verdunkelte sein Gehirn und führte ihn zur Raserei, in der ein Mensch wie ein Tier ist, vielleicht noch grausamer.
    Ricardo Granja verließ das Hotel eine Stunde nach seiner Ankunft in tiefer Verzweiflung und mit geminderter Zurechnungsfähigkeit. Trotz des warmen Nachtwindes hatte er einen weiten Mantel um sich geschlungen, denn der Portier, der ihn erstaunt wieder gehen sah, sollte nicht bemerken, daß er unter den Arm geklemmt ein scharfes, geschliffenes Beil bei sich trug. Etwas von dem Rausch der Blutrache durchtobte ihn. An ihr waren Familien und Generationen zugrunde gegangen … und es erfüllte ihn mit grausamer Freude, mit dem Beilhieb in dieser Nacht die Familie Torrico systematisch auszulöschen, denn die Rache für die Schande seiner Tochter würde auch Pedro spüren, auch Elvira und auch Anita, die kleine, alte Anita, die sogar Ricardo Granja zuerst grüßte, was er sonst nie tat aus Stolz, der reichste Mann zu sein.
    Mit einer Autotaxe ließ er sich zur Villa Fredo Campillos bringen und stand dann ebenso zaudernd und lauschend am Gartenzaun wie damals Concha.
    Die Nacht war hell … die Sterne waren keine hellen Flecken mehr … es waren herrliche Muster aus beschienenen Brillanten, den Reichtum Gottes kündend. Der Mond stand blaß und rund über den Pinien, unter denen Concha und Juan sich geküßt hatten.
    Das Haus lag dunkel. Alles schlief. Einen Augenblick staunte Granja über diesen prachtvollen Bau und fand den Vergleich, daß seine Villa gegen ihn nur eine Hütte sei. Das reizte ihn noch mehr, und er kletterte über den Zaun und stampfte den weißen Kiesweg entlang um das Haus herum. An der Terrasse hielt er an und blickte zum Balkon empor, ohne zu wissen, daß hinter ihm das Zimmer Juans lag.
    So stand er eine ganze Weile und dachte darüber nach, wie man in das Haus kommen konnte. Wie ein Einbrecher, dachte er. Ist das eines Vaters würdig, der die Ehre seiner Tochter rächt? Heimlich kommen, im Schutz der Nacht, und heimlich verschwinden, nachdem man die grausige Tat vollbracht hat? Bei dem letzten Gedanken schauderte er zusammen und fühlte über das blanke Eisen des Beiles, das kühl unter seinem Arm lag.
    Nein, sagte er sich. Ein Ricardo Granja nimmt den vorderen Eingang! Und er ging wieder um das Haus herum, stieg die paar Stufen der breiten Eingangstreppe empor und drückte auf den Klingelknopf. Der Ton der Schelle schrillte durch das stille Haus. Noch kann ich gehen, dachte Granja plötzlich. Und keiner würde je erfahren, wer bei Fredo Campillo des Nachts geschellt hatte. Aber in diesen Gedanken hinein flammte innen das Licht auf, und durch das große kostbare Foyer sah er eine würdevolle Gestalt kommen, in einem weinroten Bademantel und ledernen Pantoffeln.
    Granja starrte durch die Glastür dem Mann entgegen. Fest hielt er unter dem Mantel das Beil umklammert. Ist das Campillo selbst? dachte er. Und was soll ich sagen, wenn er öffnet? Soll ich ihn einfach umrennen und Juan suchen? Oder was soll ich tun? Er sah, wie schwer es war, ein Mörder zu werden, und die Wut seiner Hilflosigkeit machte ihn zittern.
    Der Diener öffnete die Glastür und sah den fremden, blassen Mann in dem weiten Mantel abschätzend an. »Was wollen Sie?« fragte er laut. »Woher kommen Sie? Und mitten in der Nacht?!«
    Ricardo Granja verbeugte sich leicht.
    »Sie sind Señor Campillo?« fragte er.
    Der Diener schüttelte geschmeichelt den Kopf.
    »Ich bin sein Diener«, sagte er.
    »Sein Diener?« Granja sah an ihm herunter, und die Scham, sich vor einem Diener verbeugt zu haben, spülte alle Höflichkeit fort. »Wo ist Juan Torrico?« rief er grob.
    Der Diener riß die Augenbrauen hoch … er witterte Gefahr und stellte sich zurecht, um ihr zu begegnen.
    »Er ist hier im Haus. Er schläft. Was wollen Sie von ihm. Wer sind Sie überhaupt!«
    »Das sage ich keinem Diener!« schrie Granja. »Lassen Sie mich herein. Und rufen Sie Señor Campillo.«
    »Das werde ich nicht tun!«
    Der Diener wollte die Tür schließen, aber Granja schob den Fuß dazwischen und drückte sie mit seinen Schultern auf. Gegen die Urkraft eines kastilischen Bauern ist ein Städter

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