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Viele Mütter heißen Anita

Viele Mütter heißen Anita

Titel: Viele Mütter heißen Anita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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während Pedro und Elvira mit einem anderen, einem Privatwagen, nachfuhren. Prof. Moratalla stand unten in der Halle, als die Wagen ankamen, und trat auf Anita zu. Die kleine Frau blickte zu dem Riesen empor, und als sie in seine Augen sah, fühlte sie die Kraft, die von diesem Manne ausging. Da umklammerte sie seine Hände und sah ihn mit ihren großen, wässerigen Augen an. »Sie sind der Mann, der Juan rettet?« sagte sie leise. »Oh, bitte, helfen Sie ihm …«
    Prof. Moratalla biß die Zähne zusammen. Er hatte in seinem Leben als Arzt viele Mütter gesehen, Mütter, die schrien, Mütter, die zusammenbrachen, Mütter, die am Bett des Toten irrsinnig wurden, Mütter, die Selbstmord begingen, Mütter, die starr waren wie Stein … aber diese alte Muter in ihrer schmutzigen Schürze, die sie vergessen hatte, auszuziehen, mit ihren alten Kleidern und den wirren weißen Haaren, den dicken Beinen und den großen Augen, diese Mutter erschütterte ihn mit ihrer stummen Duldung und mit der Festigkeit, mit der sie ihr großes, erbarmungsloses Schicksal trug.
    Ohne zu fragen oder etwas zu erklären, faßte er Anita unter und führte sie in sein Zimmer. Dr. Osura und die Ärzte folgten ihm. In dem Raum, der durch die großen Lampen grell erleuchtet war, saßen schon Fredo Campillo, Ramirez Tortosa und Prof. Dalias bei einer Flasche Kognak. Als Moratalla mit Anita eintrat, erhoben sie sich und blickten stumm auf die alte Bauersfrau, die verlegen im Zimmer stand und die rissigen, verarbeiteten Hände schamhaft in die Taschen der fleckigen Schürze steckte. Pedro stand hinter ihr – an seinen großen Schuhen waren noch der Staub der kastilischen Landstraßen und die Erdbrocken seiner Felder. Er war auf diesem Flug durch die Nacht alt geworden, eine scharfe Falte hatte sich in die Mundwinkel eingegraben. Er sah von einem der vornehmen Herren zum anderen und sagte dann laut:
    »Kann ich meinen Bruder nicht sehen?«
    »Gleich, Herr Torrico.« Moratalla ging an seinen Schreibtisch und nahm von ihm eine Röntgenplatte, die er auf die Scheibe des Lichtkastens schob. Dann schaltete er das Licht ein, und Juans Brustkorb lag vor den Blicken der Anwesenden. Anita starrte auf die dunklen Rippen und die merkwürdigen Flecken und Gebilde, die sie zum erstenmal sah. Auch Pedro wischte sich über die Stirn und wagte kaum, näher zu treten. Prof. Dalias warf einen kurzen Blick auf die Platte und verzog den Mund wie unter einem Krampf. Moratalla sah es, und er drehte sich schnell herum.
    »Sie erkennen es, Professor Dalias?« sagte er schnell. »Die Gefahr ist akut geworden. Das Geschwür im Herzbeutel ist durchgebrochen – die Sekretion droht das Herz abzudrücken! Wenn wir nicht sofort eingreifen, ist Juan Torrico in spätestens drei Tagen unter furchtbaren Qualen gestorben.«
    »Sie sind ein roher Patron, das in Gegenwart der Mutter zu sagen«, meinte Dalias mit rauher Stimme.
    »Ich muß es so sagen, um Ihnen zu verstehen zu geben, daß ein Eingriff nötig ist. Ein Experiment am menschlichen Körper, Dalias …«
    Prof. Dalias blickte von einem zum anderen. Er sah in die starren Gesichter der Männer und in die verständnislosen Augen der Mutter, die nicht wußte, worum es ging. »Machen Sie, was Sie wollen!« sagte er da, wandte sich ab, nahm seinen Hut und verließ das Zimmer. Draußen, auf dem Flur, setzte er den Hut auf und zog die Schultern zusammen.
    »Ein mutiger Bursche, dieser Moratalla«, sagte er leise zu sich. »Wenn bloß nichts schiefgeht bei der ganzen Sache …«
    Dann ging er allein durch die dunklen Flure zu seinem Wagen und fuhr in die Nacht hinaus, Madrid entgegen. Während des Fahrens schaute er auf die Uhr. Jetzt wird in Saal IV alles vorbereitet, dachte er. In zehn Minuten kommt die fahrbare Bahre … dann die Narkose, der Schnitt … mein Gott, woher will Moratalla denn das neue Herzfleisch nehmen?! Daran habe ich ja gar nicht gedacht … er hat doch gar kein Material, um es zu überpflanzen …
    Einen Augenblick war er versucht, umzukehren und alles zu verbieten. Aber dann biß er sich auf die Lippen und steuerte weiter geradeaus, wo der Schein der Stadt den Himmel fahl werden ließ.
    Ich habe keine Schuld, dachte er. Ich konnte es nicht verhindern. Und er fühlte plötzlich, daß er Angst hatte.
    Angst um den Freund. Um Prof. Moratalla …
    In der Klinik war es still. Saal IV wurde nicht vorbereitet. Die Bahre wurde nicht in den Fahrstuhl gefahren. Juan lag in seinem Bett, kalkweiß, leise atmend, ohne

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