Viele Mütter heißen Anita
wie ein Halm im Wind … der Diener wurde zur Seite gedrückt und flog mit der sich öffnenden Tür in die Halle.
»Ich rufe um Hilfe!« schrie er. Seine Stimme hallte durch das stille Haus. Da traf ihn ein Faustschlag Granjas ins Gesicht, und er fiel zu Boden, ohne sich noch zu rühren.
Granja stand allein in der Halle und schloß hinter sich die Tür. Schnell sah er sich um. Die kostbaren Teppiche, die wertvollen Gemälde und Skulpturen, die geschnitzte Treppe zum Oberstock, die schweren, eichenen Türen zu den einzelnen Zimmern … er wußte nicht, wohin er sich wenden sollte, und rannte mehr aus Instinkt als aus Überlegung der Treppe zu und stürzte sie hinauf.
Als er schweratmend den Flur des oberen Stockwerkes erreicht hatte, hörte er unten aus der Halle den Hilfe- und Alarmschrei des erwachten Dieners. Ein Gong dröhnte durch das stille Haus, man hörte Türen klappen und Stimmen, die erregt durcheinandersprachen. Da erfaßte Granja eine plötzliche Angst, er rannte den Flur entlang und prallte zurück, als am Ende des Ganges eine Tür geöffnet wurde und ihn greller Lichtschein blendete. Aber dann schrie er wild auf … in der Tür stand Juan Torrico, der schmächtige, elende Bauernbursche, der es gewagt hatte, Concha zu berühren.
Voller Wut, gepaart mit der Angst vor den Verfolgern in seinem Rücken, stürzte Granja auf Juan zu, stieß ihn ins Zimmer hinein, warf die Tür hinter sich zu und schob den Riegel davor. Dann riß er sich den Mantel vom Körper und faßte das Beil. Das breite, blinkende Metall blitzte im Schein der starken Deckenlampe.
Mit entsetzensweiten Augen war Juan an das Bett zurückgewichen und streckte nun abwehrend beide Arme weit gegen Granja aus.
»Was … was wollen Sie …«, stammelte er. Angst und Grauen schrien aus seinen Augen. Er sah in das wilde Gesicht des Mannes, in diese flackernden, mordlüsternen Augen, und er wußte, warum er hier stand und das Beil in der Hand hielt.
»Was hast du mit Concha gemacht?« schrie Ricardo Granja und kam langsam auf ihn zu.
»Wir lieben uns, Señor Granja …«, stotterte Juan. »Sie hat es Ihnen gesagt …?«
»Nein! Gelesen habe ich es! In ihrem Tagebuch! Sie war bei Doktor Osura …«
»Bei Doktor Osura …?«
Juan fiel mit dem Rücken gegen die Bettwand, und sein Herz setzte mit Schlagen aus. Er wurde weiß und dunkle Schatten entstellten sein Gesicht unter den Augen. Wie eine Maske war sein Gesicht, leblos und verzerrt.
»Ein … ein Kind …«, röchelte er mühsam.
»Ja! Ja, ein Kind!« brüllte Granja. Er sah Juan nur noch durch einen Schleier. Und dann stürzte er auf ihn zu, ließ das Beil fallen, daß es klirrend gegen das Bett schlug, und ballte die Fäuste. »Du Schwein!« gellte seine Stimme, und es lag Irrsinn in dem Ton. »Du Schwein! Du Saustück von einem Mann!« Und dann hieb er mit beiden Fäusten in dieses bleiche Gesicht, er sah, wie das Blut aus Mund und Nase stürzte, und je mehr er es fließen sah, um so wilder wurde er und hieb und hieb, bis der Körper vor ihm zusammensank, auf die Erde vor das Bett fiel und röchelnd sich auf dem Boden wand. Aber noch immer schlug er auf ihn ein, er trat gegen den Rücken und gegen die Brust, es war ein blutiger Rausch, der über ihn gekommen war und aus dem er keinen Weg mehr in die Vernunft fand.
Er hörte nicht, wie hinter ihm die Tür eingerannt wurde – nur als er zurückgerissen wurde, als er selbst eine Faust in seinem Gesicht fühlte, wurde er wieder klar vor den Augen und er starrte, festgehalten von vier kräftigen Armen, auf das Bild der Zerstörung, das er hinterlassen hatte.
Juan lag ohnmächtig und mit einem blutüberströmten Gesicht auf dem Teppich vor dem Bett. Fredo Campillo und der Diener knieten neben ihm und stützten seinen Oberkörper hoch. Campillo riß das Hemd über der Brust auf und legte das Ohr an das Herz.
»Es schlägt nicht mehr!« schrie er plötzlich auf. Und er sprang auf, umkrallte die Gurgel Granjas und schüttelte den erblassenden Mann hin und her. »Sie Mörder!« schrie Campillo. Seine Stimme überschlug sich. »Polizei! Einen Arzt! Sie Mörder …!«
In diesem Augenblick sank auch Ricardo Granja zusammen – willenlos ließ er sich aus dem Zimmer führen, ein Haufen Fleisch ohne Kraft und Willen, ein Taumelnder, der nicht weiß, was hinter ihm liegt.
Kaum zehn Minuten später raste Prof. Moratalla die Treppen hinauf und warf sich neben dem Bett, auf das man Juan getragen hatte, auf die Knie. Er riß das Stethoskop heraus
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