Viele Mütter heißen Anita
und tastete die blutverschmierte Brust ab. Dr. Tolax und Dr. Albanez, die ihm gefolgt waren, zogen bereits eine Spritze auf.
»Sofort Strophantin!« schrie Moratalla. »Noch schlägt das Herz, aber es geht zu Ende, Campillo …«
»Nein! Herr Professor!« Der große Kunstexperte, der berühmte Direktor der Staatlichen Galerien, weinte. Er beugte sich über den gelbweißen Juan und streichelte sein blutiges Gesicht, das jetzt von Dr. Tolax gewaschen wurde. »Er darf nicht sterben«, schluchzte er. »Er wollte doch nächste Woche sein großes Brunnenwerk beginnen …«
Prof. Moratalla richtete sich auf und sah zu Dr. Albanez hinüber. »Sofort zur Klinik«, sagte er rauh. »Und benachrichtigen Sie sofort per Blitzgespräch die Mutter und Doktor Osura. Ich werde dafür sorgen, daß ein Militärflugzeug noch diese Nacht nach Solana del Pino fliegt und die Mutter und Doktor Osura nach Madrid bringt. Und benachrichtigen Sie Professor Dalias, er möchte sofort kommen und sich die neueste Platte ansehen, die ich gleich aufnehme. Wenn das Geschwür geplatzt ist, werde ich operieren!«
»Herr Professor!« rief Dr. Tolax entsetzt.
»Es gibt kein Zurück mehr, Doktor Tolax!« Die Stimme Moratallas dröhnte. »Ich wage es, und wenn es meine Lizenz als Arzt kostet!«
»Das lassen wir Ärzte, die zu Ihnen aufschauen und die von Ihnen lernen, nicht zu!« rief der Oberarzt mit hochrotem Kopf.
»Danach werde ich nicht fragen! Doktor Albanez – bereiten Sie alles vor.«
Und der junge Arzt nickte und entfernte sich schnell.
Langsam trug man dann Juan auf einer Bahre aus dem Haus in den Krankenwagen, der vorsichtig durch die nachtstillen Straßen fuhr, hinaus in das große Haus an der Chaussee nach Barajas.
Ricardo Granja brachte man einige Minuten später mit einem Auto zur Polizei, wo er gebrochen in seine Zelle wankte und auf der harten Holzpritsche niederfiel.
»Concha …«, murmelte er die ganze Nacht. »Concha … Warum mußte das sein … Concha …«
Als man in der gleichen Nacht Anita aus dem Bett neben dem Herd holte und sie bat, sofort mitzukommen, sah sie den Mann in der Lederkleidung groß an und nickte.
»Es ist soweit«, war alles, was sie sagte. Und sie stand auf, während Pedro und Elvira von oben kamen und mit entsetzensweiten Augen hörten, daß Juan im Sterben lag.
»Wir fahren alle mit!« rief Pedro und stürzte nach oben. In wenigen Minuten kam er zurück, angetan mit seiner alten Feldkleidung, da er in der Eile nicht mehr die guten Sachen suchen konnte. Auch Elvira warf schnell das erste Kleid über, das sie zur Hand bekam, und dann standen sie neben Anita, der kleinen, alten, gefaßten Mutter, denn während sie weinten, sah sie stumm von einem zum anderen, band sich die schmutzige blaue Schürze um, goß das noch siedende Wasser in eine Kanne und reichte dem Piloten erst einmal eine Tasse Kaffee. Während er trank, packte sie zu einem Bündel das Nötigste zusammen … eine neue Schürze, ein anderes Kleid, ein Nachthemd, das sie seit zehn Jahren nicht mehr getragen hatte, und dann eine Börse mit Silbergeld, die sie aus einem Mauerriß hinter dem Ofen hervorholte und von der keiner etwas gewußt hatte.
»Ich bin bereit«, sagte sie dann, als gehe sie zu einem Ausflug. Dann sah sie ihren großen Sohn an und sagte laut: »Höre auf zu weinen, Pedro!« Da biß sich der große, starke Mann auf die Lippen und trottete der alten Frau nach zu dem Feld, auf dem das Flugzeug nach abenteuerlichen Schleifen um die Hügel gelandet war.
Im Raum des Flugzeuges saß schon Dr. Osura, eingehüllt in einen dicken Mantel. Er reichte Anita stumm die Hand, zog sie zu sich und legte den Arm wie schützend um ihre schmalen Schultern. Pedro und Elvira kauerten sich in eine andere Ecke … und dann brummte der Motor auf, ein Zittern durcheilte den Leib des Flugzeuges, man hatte das Gefühl, als schwebe man, als sitze man in einem Fahrstuhl, der immer, ohne Aufenthalt nach oben fährt … und so erlebte Anita den ersten Flug ihres Lebens in den Armen Dr. Osuras, aber sie merkte es nicht … keine Kälte, die in den Raum drang, keine Erschütterung, wenn eine Windböe das Flugzeug packte, kein Motorengeräusch … sie hatte die Augen geschlossen und betete … den ganzen Flug über, still in sich hinein, versunken in das Flehen um Rettung des sterbenden Sohnes.
Beim Morgengrauen landete man auf einem Feld in der Nähe der Klinik, Dr. Tolax war mit einem Krankenwagen zur Stelle – Anita, am Arme Dr. Osuras, stieg ein,
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