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Viele Mütter heißen Anita

Viele Mütter heißen Anita

Titel: Viele Mütter heißen Anita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Seite an. Der Chef war sehr ernst, er schien Kummer zu haben, und Dr. Albanez wartete, bis er zu sprechen begann.
    »Juan Torrico wird Vater«, sagte Moratalla, als habe er die Gallensteine, die nebenan sauber auf einem großen Stück Zellstoff lagen, verschluckt. Dr. Albanez riß die Augenbrauen hoch.
    »Auch das noch!« sagte er leise.
    »Tolax meint, das ändere nichts.«
    »Theoretisch nicht, Herr Professor!«
    »Ihr dämlichen Theoretiker!« Moratalla warf ein Stück Seife, das er in der Hand hielt, in das Wasser. Es spritzte hoch und bekleckste die Schürze Dr. Albanez'. »Sorgen Sie lieber dafür, daß ich aus irgendeinem Zoo oder Zirkus noch zehn Affen bekomme! Ich habe das verdammte Gefühl, als fordere der Tod mich persönlich zu einem Zweikampf heraus. Bei Gott – und den will ich gewinnen!«
    »Ich will alles versuchen, Herr Professor.«
    »Wissen Sie übrigens, daß unten im Keller sieben Meerschweinchen und drei Hunde mit einem geflickten Herzen leben?«
    Dr. Albanez riß die weiße Haube vom Kopf. »Ist das wahr, Herr Professor?«
    »Habe ich jemals gelogen?« raunzte Moratalla.
    »Nein … nein … aber das ist zu phantastisch. Das muß ich sehen. Das wäre ja …« Dr. Albanez griff sich mit beiden Händen an den Kopf, »… das wäre ja der Weg zu einer Operation an Torrico.«
    »Vielleicht«, wich Moratalla aus.
    »Und wann machen Sie den ersten Menschenversuch?«
    »Überhaupt nicht! Glauben Sie, ich wolle wegen Leichenschändung von Professor Dalias angeklagt werden? Sie haben doch gehört: Allerhöchster Befehl! Keine Versuche mehr in dieser Richtung! Es ist zum Verrücktwerden, Doktor Albanez.«
    Weiter sprach man nicht mehr darüber. Moratalla ging auf sein Zimmer und studierte die neuen Röntgenplatten der Neueinlieferungen. Da zu Moratalla nur schwere Fälle kamen, war jedes Bild von größtem Interesse, und Moratalla suchte sich die schwersten Fälle heraus, bestimmte auf einem Zettel die Operationsdaten und gab dann die Bilder und die Krankheitsgeschichten der Schwester zurück, die auf sein Schellen eintrat.
    Dann erhob er sich, ging an das breite Fenster und dehnte die große Gestalt wie ein Tier, das erwacht. In den Parkanlagen saßen die Kranken wieder in der Sonne und lasen die Zeitung oder spielten, um einen Klapptisch gruppiert, Karten. Ihre weißen Leinenanzüge leuchteten grell in der vollen Sonne. Moratalla ließ den Blick über den Garten schweifen, und über sein Gesicht zog das Lächeln einer großen Befriedigung.
    Da sitzen sie alle, dachte er glücklich. Dort, der weißhaarige Mann, ein Beamter aus Madrid. Er kam mit einem durchbrochenen Magen in die Klinik … er wurde gerettet. Der junge, schwarze Kaufmannsgehilfe, der jetzt Karten spielte und ab und zu mogelte, litt an hochgradiger Lungentuberkulose, die bereits ein faustgroßes Loch in die Lunge gefressen hatte. Moratalla operierte ihn nach der Sauerbruch'schen Methode … jetzt saß der junge Mann im Garten und lachte wieder den netten Schwestern nach.
    Jener alte Warenhausbesitzer, der drüben auf einer Bank saß und ein dickes Buch las, kam vor neun Wochen mit einem Leberkrebs in die Klinik. Dr. Tolax schüttelte den Kopf und wollte ihn lediglich durch Spritzen schmerzlindernd behandeln, weil ein Eingriff sinnlos war. Moratalla wagte es … und der Mann, der sein Leben mit seinem Vermögen bezahlt hätte, saß jetzt im Garten und stand auf und grüßte mit tiefer Verbeugung, wenn Moratalla an ihm vorüberkam.
    Der große Mann an dem breiten Fenster ließ den Blick weiter wandern. Überall Rettung, dachte er. Überall meine Hand und mein Mut, die diesen Menschen das Leben wiederschenkte. Das ist ein herrlicher Blick auf mein Werk, den ich hier habe. Und mir sollte es nicht gelingen, ein lächerliches Geschwür im Herzen des Juan Torrico herauszunehmen?! Ich habe viel gewagt, und oft glaubte ich selbst nicht an einen Erfolg – ja, ich gebe es zu –, und dann gelang es doch! Es starben auch Patienten, wer will es bestreiten – es gibt Fälle, wo die Kunst des Arztes ohnmächtig wird. Aber noch nie ist mir ein Patient auf dem Operationstisch gestorben, dachte Moratalla. Nie hat man sagen können: Operation geglückt – Patient verstorben. Und über zwanzig Jahre führe ich das Skalpell und öffne die Leiber der Menschen … warum bin ich heute bloß so unsicher, wenn ich an Juan Torrico denke? Weil es ein Herz ist? Eine noch nie versuchte Operation? Eine Transplantation innerhalb eines Organes? Ich habe es als erster

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