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Viele Mütter heißen Anita

Viele Mütter heißen Anita

Titel: Viele Mütter heißen Anita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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dem noch immer Dr. Osura, Campillo und Tortosa saßen. Als sie eingetreten waren, schloß Moratalla die Tür und verschränkte die Arme auf dem Rücken. Dr. Osura zog Anita zu sich … er sprach nichts, aber seine stumme Gebärde verriet, was er nicht zu sagen wagte.
    Anita sah zu Boden. Ihr Herz war schwer und schmerzte. Die leise Hoffnung, an die sie sich klammerte, als Juan zu schlafen begann, brach in ihr zusammen. Es war dumpf in ihrem Kopf, aber aus der Trostlosigkeit heraus schrie sie ihn an: »Ich werde Juan nicht mehr sprechen können.«
    Prof. Moratalla stand an dem großen Fenster. Er blickte hinaus in den Garten, während er sprach, und drehte den Anwesenden seinen breiten Rücken zu.
    »Wir haben alles überlegt, Señora Torrico. Es geht nicht. Ich muß es Ihnen sagen. Ich darf es Ihnen nicht verheimlichen. Ihr Sohn wird im Laufe des Tages sterben.«
    »Ich wußte es«, sagte Anita leise.
    Dieser Satz riß Moratalla herum. Er starrte die kleine alte Frau an. »Meine Kunst hat Grenzen«, sagte er dumpf.
    »Und warum operieren Sie nicht?«
    »Weil ich kein Herz habe, Señora.«
    »Kein Herz?« Anita schüttelte den Kopf. »Wozu brauchen Sie ein Herz?«
    Moratalla trommelte mit den Fingern auf die Fensterbank. Die Erregung übermannte auch ihn. »Es hat nur einen Zweck, Ihren Sohn zu operieren, wenn ich den angegriffenen Teil seines Herzbeutels heraustrennen und Stücke eines anderen Herzbeutels überpflanzen kann. Ich hatte gehofft, es ginge mit dem Herzbeutel eines Affen … aber es war eine Utopie! Ich brauche ein menschliches Herz … und das habe ich nicht …«
    Langsam kam Anita auf Moratalla zu. Sie faßte ihn am Ärmel seines Rockes, und dieser Griff riß den Riesen herum. Er sah in die großen, wässrigen Augen der alten Frau und zwang sich, diesem fragenden Blick standzuhalten.
    »Ich habe doch ein Herz, Herr Professor«, sagte sie leise.
    Dr. Osura zuckte empor. Seine Finger waren weit gespreizt.
    »Nein!« schrie er. »Das lasse ich nicht zu! Anita, das ist doch Wahnsinn!« Er wandte sich zu Pedro um, der das Ganze noch nicht begriffen hatte, und packte ihn an der Brust. »Pedro, sagen Sie doch etwas! Bringen Sie doch Ihre Mutter zur Vernunft. Verstehen Sie denn nicht, was sie will? Sie will ihr Herz für Juan geben …«
    »Mutter …« Pedro stürzte mit einem Schrei zu Anita und riß sie von Moratalla zurück. Die kleine Frau wirbelte herum und prallte gegen die breite Brust des Sohnes. »Sie tun es nicht, Herr Professor!« schrie Pedro und umklammerte den Körper Anitas, als wolle man ihn ihm entreißen.
    Moratalla schüttelte den Kopf. »Nein! Ich tue es nicht. Auf keinen Fall.«
    »Dann wird Juan sterben«, sagte Campillo laut.
    »Und mit ihm der größte Künstler, den Spanien seit Goya und Velasquez besitzt.«
    Anita wehrte sich in den Armen ihres Sohnes und stieß ihn gegen die Brust. Es war ein stummer, erbitterter Kampf, und er ging um ein Leben. »Laß mich los!« rief Anita und schlug Pedro ins Gesicht. Es war der erste Schlag seit Jahren. Pedro ließ seine Mutter los und senkte den Kopf. Da fiel Anita auf die Knie und hob flehend die Arme zu Moratalla.
    »Retten Sie Juan«, rief sie mit greller Stimme. »Nehmen Sie mein Herz. Ich bitte, bitte Sie …«
    Moratallas Gesicht war schrecklich. Es war verzerrt und bleich, wie man ihn noch nie gesehen hatte.
    »Sie werden eine andere Blutgruppe haben«, sagte er rauh.
    »Dann lassen Sie es feststellen!« rief Campillo.
    »Es ist eine Operation auf Leben und Tod!« Moratalla rannte wie ein wildes Tier hin und her. Während er sprach, kreisten seine Arme durch die Luft, als ringe er mit einem unsichtbaren Gegner. »Die Chancen sind gering … für beide! Die Rettung des Sohnes kann den Tod der Mutter bedeuten!«
    »Ich bin eine alte Frau. Ich habe nichts mehr von dieser Welt.« Anita begann zu weinen, und dieses stille Weinen, das schon Dr. Osura nicht ertragen konnte, warf auch Moratalla aus seinem inneren Gleichgewicht. Er starrte die alte Frau an, wie die Tränen aus ihren Augen liefen, und er hörte ihre brüchige Stimme. »Ich will, daß Juan weiterlebt. Ich will nicht mehr leben, wenn er leben kann. Retten Sie ihn doch, Herr Professor, retten Sie ihn doch …« Und dann sagte sie etwas, was Moratalla zur Verzweiflung trieb. »Denken Sie an Ihre Mutter … an alle Mütter, Herr Professor. Hätte sie gezögert, Ihr Leben zu retten, wenn Sie krank, so krank wie mein Juan, gewesen wären? Ich habe mit Gott gesprochen, in langen Nächten,

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