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Viele Mütter heißen Anita

Viele Mütter heißen Anita

Titel: Viele Mütter heißen Anita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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darauf. Geht sie nicht gut aus, wird man mich anklagen! Es wird das alte Lied sein: Der Erfolgreiche hat immer recht! Vor diesen Anklagen will ich mich, soweit möglich, schützen.«
    Dr. Manilva schluckte tief. »Ich glaube, Sie wagen zuviel, Herr Professor«, würgte er hervor.
    »Das ist schwer zu übersehen.« Moratalla war steif und geschäftlich. »Ich möchte Sie nur bitten, Herr Doktor, eine Erklärung von Señora Torrico zu protokollieren und notariell zu bescheinigen. Señora Torrico gibt ihr Herz freiwillig und ohne äußeren Zwang. Ich habe ihr sogar abgeraten.«
    Dr. Manilva blickte wieder zu Anita hinüber. Er sah in ihr Gesicht und sah es überstrahlt von einem inneren, großen Glück. Da wandte er sich ab, bückte sich schnell, riß seine Tasche empor und packte einen Schreibblock hervor.
    Dann rückte er den Stuhl an das schmale Tischchen an der Längswand des Zimmers und drehte einen Füllhalter auf.
    »Bitte, ich höre«, sagte er kurz. Doch als er das Datum schrieb und die Einleitung … »Vor dem Rechtsanwalt und Notar Dr. Manilva erschien Señora Anita Torrico in Person, wohnhaft zur Zeit Klinik Professor Dr. C. Moratalla, Madrid, in Anwesenheit desselben als Zeugen und möchte beurkunden eine Erklärung aus freiem Entschluß …«, sah er, daß seine Hand zitterte und die Buchstaben vor seinen Augen tanzten. Zu dumm, dachte er. Ich habe Mörder und Bestien in Menschengestalt verteidigt, ich habe grauenhafte Tatorte gesehen und die Nerven behalten, als hätte ich gar keine, und hier, bei einer alten, kleinen Frau beginne ich zu zittern. Er mußte an seine Mutter denken und an einige Erinnerungen aus seiner Kindheit. Einmal war er an Scharlach erkrankt, und sie hatte über eine Woche an seinem Bett gesessen. Damals begriff er das nicht richtig, er wußte nur, daß hinterher die Mutter krank wurde und ein Nervenfieber bekam … da war er schon wieder gesund und spielte auf den Straßen von Granada. Und hier war eine Mutter, die nicht nur die Nächte wachte, sondern sich opfern wollte für ihr Kind …
    Er beugte den Kopf tiefer und schrieb. Er hörte die Stimme Anitas, und es war ihm, als sei jeder Ton die Stufe einer riesigen Treppe, die hinunter in das dunkle Nichts führte …
    »Ich habe Professor Moratalla gedrängt, die Operation vorzunehmen«, sagte sie. »Ich weiß, daß ich dabei sterben kann. Aber ich will es trotzdem, um meinen Sohn zu retten. Ich habe Vertrauen zu Professor Moratalla, und er hat mir auch gesagt, daß ich bei oder nach der Operation sterben kann. Mein Leben ist nichts mehr wert. Ich bin eine alte Frau und werde doch bald sterben. Ich opfere mein Leben gern für meinen Sohn, wenn ich damit die Möglichkeit habe, ihn zu retten. Hoffentlich ist mein Herz stark genug, um seine fürchterliche Krankheit zu heilen. Ich bete zu Gott, daß er mir, Juan und Professor Moratalla hilft. Mehr habe ich nicht zu sagen. Alles, was ich besitze, vermache ich zu gleichen Teilen meinen beiden Söhnen Pedro und Juan. Gott sei mir gnädig …« Sie stockte. »Ist es gut so?« fragte sie leise.
    Dr. Manilva blickte nicht auf. In seinen Augen standen Tränen. Er schämte sich und nickte nur. Dann hörte er die Stimme Moratallas – sie war fremd und ohne Rührung. Er ist aus Stahl, durchfuhr es Dr. Manilva. Jetzt glaube ich auch an ihn …
    »Bitte, schreiben Sie weiter, Herr Doktor«, sagte Moratalla. »Ich, Professor Doktor Carlos Moratalla, erkläre anschließend, daß ich mich geweigert habe, diesen einmaligen Eingriff auszuführen und nur auf das Drängen von Señora Torrico mich dazu entschließe, die Operation zu wagen in voller Kenntnis der Konsequenzen, die sie nach sich ziehen kann. Ich bin mir bewußt, daß es ein Eingriff ist, wie er bisher von keinem Chirurgen gewagt wurde, aber ich wage es nicht aus der Sucht am Experiment, um meinen Freund und medizinischen Gegner Professor Dalias zu beruhigen, sondern aus der Not und der Erwartung heraus, mit diesem Wagnis ein Menschenleben zu retten und vielleicht den Weg zu zeigen, der fernerhin noch viele Kranke retten kann. Ich erkläre, daß der Eingriff verhältnismäßig wenig Chancen eines Gelingens hat, aber es bleibt mir keine Wahl, da alle anderen Mittel der ärztlichen Hilfe erschöpft und nutzlos sind. Ich werde die Operation heute, am 29. Oktober 1952, um elf Uhr vormittags vollziehen. Den genauen Verlauf der Operation wird der Bericht zeigen, den Unterarzt Doktor Serrota während des Eingriffes mitschreiben wird. – Haben Sie,

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