Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Viele Mütter heißen Anita

Viele Mütter heißen Anita

Titel: Viele Mütter heißen Anita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Herr Professor. Ich habe zu ihm gebetet und um seinen Rat gefragt. Er hat nicht nein gesagt … er hat geschwiegen, aber die Augen der Mutter von Fatima, diese schönen Augen, die haben genickt. Ich habe es gesehen, eine Nacht, bevor Sie mich holten … sie hat gelächelt und genickt, Herr Professor, denn sie ist ja auch eine Mutter und gab ihren Sohn, weil sie ihn nicht retten konnte. Auch sie wäre ans Kreuz gegangen, wenn sie Jesus hätte damit retten können … Ich kann es jetzt … und Sie sagen nein … Gott wird Sie einmal dafür strafen, Herr Professor …«
    »Hören Sie auf!« schrie Moratalla wild. Er rannte zu dem Telefon, drückte einen Knopf und schrie: »Doktor Tolax sofort zur Blutgruppenuntersuchung!« Dann sank er in seinen Sessel und bedeckte das Gesicht mit seinen großen Händen.
    Im Raum hörte man das leise Weinen Anitas und das Atmen der Männer. Pedro stand zitternd an der Wand und stierte auf die Mutter. Dr. Osuras Lippen bebten, er wollte etwas sagen, aber die Worte erstarben ihm auf der Zunge. Campillo und Tortosa tranken bleich einen Kognak. Dr. Albanez war kühl und sah nur auf seinen Chef.
    »Ich mache Sie darauf aufmerksam«, sagte Moratalla leise, »daß ich wenig Hoffnung habe, daß Sie nach der Narkose wieder erwachen. Ich muß Ihr Herz verkleinern!«
    »Ich weiß es«, antwortete Anita laut.
    »Es ist eine Operation, wie sie noch nie vorgenommen wurde.«
    »Ich werde das nie zulassen!« schrie Dr. Osura. »Ich werde sofort Professor Dalias benachrichtigen.«
    »Das wirst du nicht.« Fredo Campillo stand plötzlich vor seinem Freund und hob die Faust. »Wenn du einen Schritt aus dem Zimmer setzt, schlage ich dich nieder.«
    »Du willst einen Mord decken?« brüllte Dr. Osura.
    »Ich will Spanien einen großen Sohn erhalten! Anita wird nicht sterben … ich glaube an diese Operation und an Professor Moratalla.« Dr. Tolax trat ein. Er fragte nichts, er ahnte, was sich hier in den wenigen Minuten entschied. Er faßte Anita unter und fühlte sie aus dem Zimmer, und sie ging mit, hoch aufgerichtet, mit festen Schritten. Beim Gehen strich sie ordnend über ihre alte, fleckige Schürze.
    Das Zuschlagen der Tür löste die sekundenlange Erstarrung. Pedro stand plötzlich vor Moratalla, zwei Riesen sahen sich an, und das Gesicht des Bauern war fahl wie die Erde, die noch an seinen Schuhen klebte.
    »Sie werden der Mutter nichts tun!« sagte Pedro dumpf. »Versetzen Sie sie in Narkose und tun Sie so, als ob Sie sie operieren.«
    »Davon wird Ihr Bruder nicht gesund.«
    »Doch.« Pedros Körper straffte sich. »Herr Professor – nehmen Sie mein Herz … aber lassen Sie die Mutter leben …«
    »Sie sind verrückt!« Moratalla sprang auf. »Und Ihre Frau? Das Kind, das sie erwartet? Ihr Hof? Wer soll das alles übernehmen? Ihre Mutter ist alt … Sie haben wie Ihr Bruder das Leben noch vor sich!«
    Im Hintergrund des Zimmers war Bewegung. Dort hatte Dr. Osura Elvira aufgefangen, die ohnmächtig zusammengesunken war, als sie Pedros Vorschlag hörte. Campillo tauchte sein Taschentuch in Wasser und legte es Elvira auf die bleiche Stirn. Pedro blickte sich nicht um, er wollte nicht schwach werden … er hieb auf den Tisch und schrie Moratalla an: »Sie nehmen mein Herz!«
    »Nein!« Das Telefon schellte. Moratalla nahm den Hörer ab. »Ja, Doktor Tolax?« fragte er. Und plötzlich war es still in dem großen, sonnendurchfluteten Zimmer, es war, als höre man das winzige Knirschen des in der Sonne tanzenden Staubes. »Ja, ich danke.« Moratalla legte den Hörer auf und erhob sich langsam.
    Er sah auf Pedro und dann zu den anderen. Seine Stimme war belegt.
    »Die Mutter hat die gleiche Blutgruppe …«
    Tortosa faltete die Hände. »Das ist die Entscheidung.«
    Moratalla nickte schwer. »Ja.«
    Er blickte auf die Uhr. Es war zehn Uhr vormittags.
    Der 29. Oktober 1952.
    Ein Samstag.
    Die Sonne schien. Im Garten unter dem breiten Fenster lachten die hellen Stimmen einiger Schwestern, mit denen die Genesenden scherzten. Auf den weißen Bänken saßen wieder die Erholungssuchenden … an einem Tisch neben dem Blumenbeet spielten sie wieder Karten. Einige Assistenten der Inneren Abteilung standen auf dem Kiesweg und rauchten schnell eine Zigarette.
    Moratalla wandte sich mit einem Ruck um.
    »Doktor Albanez«, sagte er. »Sagen Sie in Raum vier Bescheid. In einer Stunde operiere ich …«
    »Jawohl, Herr Professor.« Dr. Albanez war nun auch blaß geworden … die Tragweite der Worte lag auf ihm wie

Weitere Kostenlose Bücher