Viele Mütter heißen Anita
eine Zentnerlast. »Wer soll assistieren?«
»Doktor Tolax, Sie, Doktor Usagre, Doktor Serrota und –«, er blickte zur Seite – »wenn der Herr Kollege will, Doktor Osura.«
Dr. Osura zuckte auf. »Nein!« antwortete er stockend. »Ich nicht. Ich will mich nicht mitschuldig machen, Herr Professor.«
»Wie Sie wünschen.« Moratallas Stimme war wieder klar, geschäftlich, befehlend wie immer vor einer Operation. »Aber Sie bleiben im Gebäude, Herr Kollege?«
»Er muß es«, rief Campillo drohend. »Er soll nicht Dalias anrufen.«
»Ich möchte ihn daran nicht hindern.« Moratalla zuckte mit den Schultern. »Ich werde vor der Operation einen Anwalt bestellen und mich vor dem Gesetz schützen.« Er knöpfte seinen weißen Mantel zu und strich sich mit der Handfläche über die Augen. »Bitte, entschuldigen Sie mich einen Augenblick, meine Herren. Ich muß nach den Patienten sehen …«
Ruhig und sachlich wie jeden Tag, ohne innere Erregung oder Zerstreutheit, machte Prof. Moratalla seine Visiten. Er scherzte mit einigen Kranken, gab seine Anweisungen klar und nachdrücklich, besichtigte die Neueingänge und überwies sie ohne Ausnahme an seine Unterärzte und besprach dann mit der Oberschwester den Verpflegungsplan für die kommende Woche. Nichts an ihm deutete auf die große Spannung hin, in der er lebte, nichts auf den einmaligen Eingriff, auf das phantastische Wagnis, das er in knapp einer Stunde eingehen würde. Er stand am Scheideweg seines Lebens, er wußte es … aber er war stark und groß wie immer, ruhig und klar, ein Mensch, der sich selbst vertraut und emporrichtet an seinem Willen.
Eine halbe Stunde später traf der Rechtsanwalt ein.
Dr. Manilva war ein älterer Mann mit einer großen Praxis in Madrid, ein bekannter Strafverteidiger und Notar größerer, angesehener Werke. Seine Rechtsgutachten wurden sogar vom Justizministerium erbeten, wenn Präzedenzfälle zur Verhandlung standen, und so war er auch ein Mann, der vor dem Ungewöhnlichsten nicht sehr erstaunt war, sondern sofort die rechtlichen Seiten untersuchte.
Mit Prof. Dr. Moratalla hatte er noch nichts zu tun gehabt. So war er sehr begierig und zugegeben auch neugierig, den großen Chirurgen kennenzulernen, und er konnte sich nicht denken, was ihn in die Klinik draußen an der Straße nach Barajas rief. Ein Todesfall? Das kam oft vor, aber dafür kann man keinen Arzt haftbar machen, auch wenn es ein Tod nach der Operation ist. Das überlegte Dr. Manilva auf der Fahrt in die Klinik, und er sagte sich, daß dies auch Prof. Moratalla wußte und es demnach etwas anderes sei, was zur Debatte stand.
Dr. Tolax empfing ihn in der Einlieferungshalle, und der Geruch von Karbol umgab den gepflegten Anwalt und erzeugte bei ihm ein kleines Unbehagen. Scheußlich, immer in dieser Luft leben zu müssen, dachte er. Aber dann erinnerte er sich des Aktenstaubes seiner Büros und bemerkte bei sich sarkastisch, daß sich dies wohl ausgleiche.
Dann stand er Moratalla gegenüber, in einem kleinen Krankenzimmer. Eine alte, dicke, blasse Frau saß in dem weißen Bett, und wenn Dr. Manilva einen Augenblick sicher war, hier ein Testament aufnehmen zu müssen, wurde er gleich wieder enttäuscht, denn die Frau war nicht krank und gab ihm nach Prof. Moratalla die Hand.
Der Rechtsanwalt sah zu Moratalla auf. Ein Riese, dachte er. Ein Baum, den kein Blitz umwirft. Ein mächtiger Geist, der sich einen ebenbürtigen Körper aussucht, um sich entfalten zu können. Wenn man ihn ansieht, weiß man, welch ein einmaliger Mensch er ist.
»Sie haben mich hergebeten, Herr Professor?« fragte er.
»Ja, Herr Doktor Manilva. Es handelt sich um einen ungewöhnlichen Fall, der wohl auch einmalig in Ihrer Praxis ist.« Moratalla setzte sich auf das Bett Anitas und nahm ihre rauhe, verarbeitete Hand in seine große, gepflegte. »Der Sohn dieser Frau ist sterbenskrank. Er hat ein bösartiges Geschwür im Herzbeutel und ist nur durch eine Operation zu retten. Durch eine Transplantation gesunder Herzbeutelteile. Die Mutter hat sich erboten, ihr Herz für den Sohn zu opfern.«
Dr. Manilva fühlte, wie seine Beine nachließen. Er starrte auf die alte, kleine Frau und setzte sich auf einen Stuhl, der neben dem Bett stand. Er wollte etwas sagen, aber es würgte ihn in der Kehle.
Moratalla sprach langsam weiter.
»In einer halben Stunde will ich diese Operation wagen. – Die erste dieser Art, Doktor Manilva. Geht sie gut aus, wird man mich ein Genie nennen … ich lege keinen Wert
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