Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Viele Mütter heißen Anita

Viele Mütter heißen Anita

Titel: Viele Mütter heißen Anita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
träume …
    Er riß die Augen auf … aber es war Nebel um ihn, weißer, sich drehender Nebel. Ein Gewitter, dachte er erschrocken. Und die Wolken hängen bis auf die Erde. Das ist selten in der Sierra Morena, das habe ich nur fünfmal erlebt.
    Er öffnete die Lippen und sagte etwas.
    »Mutter!« – so klang es, man konnte es nicht verstehen.
    Er hob den Arm und wischte sich über die Augen. Da fühlte er einen großen Schmerz in der Brust, er stach und würgte. Mein Herz, durchfuhr es ihn. Hatte ich denn wieder einen Anfall? Warum tut es so weh? Mutter, wo bist du denn? Warum ist denn alles so voll Nebel?!
    Er riß die Augen weit auf. Da sah er in dem Weiß schwach ein Gesicht. Ein fremdes Gesicht in einer weißen Haube. Aber es war nun doch nicht fremd … es sah aus wie das Gesicht Elviras, nur etwas älter. Da schüttelte er den Kopf und schloß die Augen wieder. Vielleicht bin ich wieder krank, dachte er. Dann kommt bestimmt Dr. Osura. Er hat mir doch mein Herz auf dem Bild gezeigt … es war merkwürdig … diese vielen Adern und Muskeln und Fleischstücke …
    Wieder lag die weiche Hand auf seinem Arm. Ein kleiner Stich durchjagte ihn. Er zuckte zusammen und fühlte etwas in seine Armader laufen. Es kitzelte, und er mußte lächeln. Still blieb er liegen und wartete auf die Stimme der Mutter.
    Durch den Gang rannte Dr. Tolax. Er riß die Tür des großen Zim mers auf und stürzte in seiner Aufregung bald über den Teppich. Prof. Moratalla, der an seinem Schreibtisch saß, drehte sich um und sprang dann auf.
    »Doktor Tolax!« rief er laut. »Was haben Sie denn?!«
    »Juan …«, keuchte der Arzt … »Herr Professor – Juan hat soeben das Bewußtsein wiedererlangt!«
    Moratalla stand steif hinter dem breiten Tisch. Er hatte die Hände gefaltet, aber sie zitterten.
    »Er hat das Bewußtsein wiedererlangt«, wiederholte er mit belegter Stimme. »Doktor Tolax –«, er atmete tief auf – »ich glaube, wir haben gewonnen …«
    »Ja, Herr Professor, ja …«
    »Und wie geht es der Mutter?«
    »Sie ist noch ohne Bewußtsein. Aber der Puls ist normal, und das verkleinerte Herz arbeitet.« Dr. Tolax senkte das Haupt. Seine Stimme war brüchig vor Rührung. »Ich hatte solche Angst um Sie, Herr Professor.«
    »Dummheit, Tolax! Wer wird denn jetzt weich werden!« Er stieß den Oberarzt in die Seite und lachte ihn an. »Ich will mir unser Sorgenkind ansehen … kommen Sie mit …«
    Vorbei an dem Zimmer, in dem Riogordo wartete, vorbei an der Tür, hinter der Pedro und Elvira saßen und seit Stunden beteten, gingen sie über den Gang und betraten das kleine Zimmer am Ende des Flures.
    Die Schwester saß wieder am Bett und fühlte den Puls. Sie blickte nicht auf, als Moratalla den Raum betrat; leise die Lippen bewegend, zählte sie die Pulsschläge. Eine gebrauchte Spritze lag auf einer Glasplatte.
    Moratalla nahm sie auf und sah die kleine Ampulle.
    »Cardiazol?« fragte er Dr. Tolax. »Das war gut.« Er beugte sich über Juan und schlug die Bettdecke zurück. Er setzte das Stethoskop an und horchte. Zufrieden richtete er sich auf.
    »Es geht«, murmelte er. Vorsichtig setzte er sich auf die Bettkante und nahm die schlaffen Hände Juans.
    »Juan?« sagte er leise. »Hören Sie mich?«
    Juan öffnete die Augen, aber sein Blick war leer und ohne Erkennen. Starr sahen die Pupillen in die Luft.
    »Nebel …«, hauchte er schwach. Und dann: »Mutter …«
    Moratalla biß sich auf die Lippen. Er sah Dr. Tolax an, der mit den Schultern zuckte, hilflos und ängstlich.
    »Ihre Mutter wartet auf Sie, Juan«, sagte Moratalla langsam und mit Betonung jedes Wortes. »Sie wartet, bis Sie wieder gesund sind. Dann können Sie wieder zurück in Ihre Berge.«
    Ein Lächeln flog über die Züge Juans. Erschüttert sah Dr. Tolax, wie dieses Lächeln die wächserne Blässe des Gesichtes vertrieb. Der Tod geht zurück, durchfuhr es ihn. Der Tod räumt das Feld … Moratalla hat gesiegt …
    Der Chirurg erhob sich. »Injizieren Sie jede halbe Stunde Traubenzucker«, sagte er leise zu der Schwester. »Und rufen Sie sofort, wenn Juan seine Umwelt klar erkennt und sprechen kann.«
    Leise verließ er das Zimmer und zog die Tür hinter sich sacht ins Schloß. Auf dem Gang, in dem jetzt die Lampen strahlten, steckte er beide Hände in die Taschen seines weißen Kittels.
    »Um zwölf Uhr war die Operation vorbei«, rechnete er laut. »Jetzt haben wir halb sieben! Also sechseinhalb Stunden! Das hätte ich nicht gedacht. Wir wollen mal nach der

Weitere Kostenlose Bücher