Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Viele Mütter heißen Anita

Viele Mütter heißen Anita

Titel: Viele Mütter heißen Anita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Lungenentzündung, das anderemal an Gelenkrheumatismus. Er starb an einer Verstopfung der Mitralis«, las er vor.
    »Immer dasselbe«, nickte Moratalla.
    »Operative Hilfe kam zu spät, wäre auch nicht denkbar gewesen, da man bis heute eine Spaltung der verengten Mitralklappe nicht ausgeführt hat.«
    »Denken Sie, Doktor Tolax!« Moratalla blieb stehen und blickte seinen Oberarzt nachdenklich an. »Man hat in Amerika und auch in Deutschland mit einem gebogenen Fingermesser die Mitralis gespalten und den Blutkreislauf im Herzen wiederhergestellt. Na, wir wollen mal sehen …« Er stieß die Tür des Sezierraumes auf und ging ohne Zögern an die Sterilbehälter, wo er seine Gummihandschuhe herausnahm und überzog. Auch Dr. Tolax und Dr. Albanez streiften sie sich über, während zwei Krankenwärter eine Bahre mit einer mit einem weißen Tuch zugedeckten Leiche in den Raum fuhren. Durch den Körper des jungen Dr. Albanez zog ein Schauer, als Prof. Moratalla mit gleichgültiger Miene das Tuch zurückschlug und das wächsernspitze Gesicht des Jose Fuente, des Vaters von vier Kindern, im grellen Licht der Lampen lag. Die Lippen waren blau und geschwollen.
    Dr. Tolax reichte Moratalla das Skalpell. Hier bedurfte es keiner Vorsicht mehr, hier konnte man sich Wundrahmen und Aderklemmen sparen, es war nichts als das Einschneiden in ein Stück totes Fleisch, eine Routinearbeit der Chirurgie. Moratalla jedoch schnitt nicht einfach den Körper auf – er operierte zum größten Erstaunen seiner jungen Kollegen wie in seinem Saal. Er führte den Brustschnitt im rechten Winkel den Rippenbögen entlang, klappte die Gewebe und Muskeln einzeln zurück, knackte die Rippen durch und klappte sie mit den Hautlappen herum, schob die Lunge etwas zur Seite und hatte in der nun offenen Brusthöhle das Herz, eingehüllt in dem Herzbeutel, liegen. Langsam durchtrennte Moratalla den Herzbeutel, erst die äußere Haut, dann die innere, und blickte plötzlich auf, als eine gelbe, eitrige Flüssigkeit aus dem Schnitt in die Bauchhöhle lief.
    »Welcher Idiot hat die Diagnose von einer verengten Mitralis gestellt?« fragte er grob.
    Dr. Tolax begann plötzlich zu schwitzen. Er wischte sich mit dem Unterarm über die Stirn und lehnte sich gegen den breiten marmornen Seziertisch.
    »Der einliefernde Arzt, ein Doktor Alvaro, gab mir ein genaues Krankheitsbild mit und auch die Diagnose. Da der Fall so eilig war und der Kranke schon kollabierend eingeliefert wurde, habe ich von einer Röntgenaufnahme abgesehen und lediglich noch Cardiazol spritzen können, als der Exitus eintrat.«
    »Das sieht euch ähnlich!« Moratalla trennte vorsichtig den Herzbeutel vom Herzen und den großen Blutadern ab und klappte ihn zum Zwerchfell um. An der Innenseite des Beutels saß ein nußgroßes, bösartiges Geschwür, das zerplatzt war und das Herz zum Stillstand zwang. »Na«, sagte Moratalla laut. Seine Stimme dröhnte in dem leeren Raum überlaut und wurde zurückgeworfen. »Was ist es, meine klugen Herren Kollegen?«
    »Ein Herzbeutelgeschwür.«
    »Und der Mann, dieser Vater von vier Kindern, wäre zu retten gewesen, wenn der Kollege Alvaro eine bessere Diagnose gestellt und Sie, Doktor Tolax, das Herz trotz des leichten Kollapses durchleuchtet hätten!«
    »Ich habe mich auf die Beurteilung des Kollegen verlassen!« Dr. Tolax starrte auf das Geschwür. »Wenn man selbst das nicht mehr kann …«
    »Wir Ärzte, vor allem aber wir Chirurgen, stehen immer allein, bester Tolax.« Moratalla schälte das Geschwür aus und schnitt einen großen Hautlappen des Herzbeutels mit heraus. »Nur die eigene Meinung gilt, denn sie allein ist zu verantworten, wo in unserer Hand so viele, oft hoffnungslose Menschenleben liegen! Sie waren leichtsinnig, Doktor Tolax! Sehen Sie hier – hier ist das Geschwür!«
    »Aber der Herzbeutel ist zerstört. Der Mann konnte nicht weiterleben!«
    »Doch!« Moratalla beugte sich über den offenen Brustkorb und zeigte mit einer langen Sonde auf das Herz. »Ich hätte das Gewebe herausgeschnitten, weil ich befürchten konnte, daß Eiter- oder Infektionspartikelchen sich im Umkreis des Geschwüres innerhalb der Gewebezellen befinden. Um den Herzbeutel zu schließen, würde ich einfach ein anderes, physiologisch gleichgestaltetes Hautgewebe überpflanzen.«
    »Unmöglich!« Dr. Tolax umklammerte den Seziertisch. Was er in diesen Minuten hörte, war so unglaublich wie die Theorie, den Menschen durch Drüsenbehandlung um die Hälfte zu verjüngen.

Weitere Kostenlose Bücher