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Viele Mütter heißen Anita

Viele Mütter heißen Anita

Titel: Viele Mütter heißen Anita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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grüßend mit dem Kopf. Sie sah Juan ein wenig bedrückt vor der Tür des Chefs stehen, man merkte es seinem Gesicht an, daß er sich nicht wohl zu fühlen schien, und sie winkte leicht mit der Hand ab.
    »Was ausgefressen?« fragte sie.
    »Was soll ich?« Juan sah sie groß an. »Nein, Señorita, nein …«
    »Ist alles halb so schlimm. Der Chef brüllt gerne … aber er meint es gar nicht so. Wenn Sie irgend etwas verbrochen haben, nur einfach gestehen … dann ist alles schnell vorbei.«
    Sie nickte ihm zu und ging lachend weiter, in ein anderes Zimmer am Ende des Ganges.
    Juan sah ihr nach, bis die Tür hinter ihr zuklappte. Sie war hübsch, anders als Concha, koketter, frecher, lockender … Er schüttelte den Kopf. Merkwürdige Menschen sind in der Stadt, dachte er. Sie reden von ausgefressen und halb so schlimm. Nur gestehen … Was habe ich denn zu gestehen? Mit diesen Gedanken klopfte er leise an die Tür und schrak zusammen, als von innen eine tiefe Stimme »Ja?« sagte.
    Ja? Was hieß das? Sollte er hereinkommen? Oder was war es sonst? Galt das Ja überhaupt ihm? Juan wartete vor der Tür … da wurde sie aufgerissen, und ein großer Herr stand im Türrahmen, der Juan mit bösen Augen musterte. »Warum kommen Sie nicht herein?« schimpfte er. »Soll ich Sie mit Posaunen empfangen?«
    »Nein, das wäre zu laut«, sagte Juan und wußte nicht die Ungehörigkeit seiner Antwort zu übersehen, da er wirklich an das Laute dachte und nicht an den Widerspruch.
    Ramirez Tortosa musterte den jungen Mann vor sich und zog die Luft durch die Nase deutlich ein.
    »Sie Lümmel!« schrie er, und seine Stimme gellte durch den langen Flur. »In welcher Klasse sind Sie?!«
    »In gar keiner. Ich möchte erst aufgenommen werden.« Juan war unter der Stimme zusammengezuckt, aber irgendwie kam ihm dieser Ton heimatlich vor, wenn er an Pedros Stimme dachte und die immerwährende Schelte der vergangenen Jahre.
    »Was wollen Sie?« Tortosa schob Juan in sein Zimmer und schloß laut die Tür. »Sie wollen bei uns eintreten? So einfach eintreten? Zu dem Direktor kommen, ihm freche Antworten geben und sich dann in einen der Säle setzen, anfangen zu bildhauern und sich die gebratenen Tauben in den Mund fliegen lassen?! Und nur, weil man Juan Torrico heißt und einen leidlich guten Kopf gemeißelt hat!«
    »Sie kennen mich, Herr Direktor?«
    »Sie haben sich ja durch den Portier vornehm anmelden lassen.«
    »Ach ja.« Juan sah Ramirez Tortosa groß an. »Ich dachte«, sagte er kläglich, »daß man mich hier erwartet. Doktor Osura sagte es mir so … und Herr Campillo auch …«
    »So, das sagten sie?« Tortosa nahm ein blaues Aktenstück vom Schreibtisch und blätterte darin herum. »Juan Torrico, neunzehn Jahre alt, Bildhauerklasse zwei zugeteilt. Eingetroffen und sich gemeldet am …« Er füllte das Septemberdatum aus und schloß die Akte. »Sie kommen in Klasse zwei B. Mit zwölf Schülern und Schülerinnen zusammen. Ihren Lehrplan gibt Ihnen Ihr Ordinarius, die Testathefte bekommen Sie von der Verwaltung, Zimmer vierzig bis fünfundvierzig. Holen Sie sich die Sachen heute nachmittag ab.« Und etwas freundlicher fragte Tortosa: »Wie sind Sie bei Señora Sabinar untergekommen? Gefällt es Ihnen?«
    »Ja. Sehr, Herr Direktor.«
    »Der Unterricht beginnt um acht Uhr! Wir haben keine losen Zeiten wie die Universitäten!« Er sah Juan scharf an. »Wollen Sie als Wahlfach auch noch Kunstgeschichte belegen?«
    »Ich möchte alles lernen, was ich brauche«, sagte Juan schlicht. »Geben Sie mich überall dorthin, wo ich etwas erfahren kann.«
    »Wie Sie wünschen, Juan.« Tortosa fiel es nicht auf, daß er seinen neuen Schüler bei seinem Vornamen nannte, und auch Juan achtete nicht darauf, weil er den Augenblick herbeisehnte, aus diesem Zimmer zu kommen in die freie Luft der Flure. »Und nun gehen Sie zu Ihrer Klasse zwei B. Ganz oben, unter dem Dach, neben dem Fahrstuhl. Ich werde Ihren Ordinarius inzwischen informieren.«
    Tortosa griff zum Telefon. Juan fühlte, daß er gehen mußte, und er ging schnell aus dem Zimmer, zog die Tür hinter sich zu und lehnte sich gegen die Wand draußen auf dem großen Flur. Schweiß rann ihm in den Kragen – er merkte es und wischte ihn mit der Hand ab, wie er ihn in den Bergen der Santa Madrona immer von der Stirn gewischt hatte, wenn er die Kühe hütete.
    Das kecke Mädchen von vorhin kam wieder aus einem der Zimmer und lächelte ihn im Vorbeigehen an. »Na, alles vorüber?«
    »Ja,

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