Viele Mütter heißen Anita
dankbar, daß Sie Juan den Weg freigemacht haben …«
Dr. Osura antwortete darauf nichts. Er verabschiedete sich schnell und fuhr in die Nacht hinein, so schnell es sein alter Ford konnte. Es war, als brenne die Straße unter seinen Rädern, als verfolge ihn der Fluch der Torricos, ein Fluch, der sich bei ihm bedankte …
Er ratterte durch Solana del Pino, ohne anzuhalten, und bog auf die Straße nach Mestanza ein. In seinem Kopf summte es, und er klammerte sich an die letzte Hoffnung, daß Moratalla in Madrid ein Mittel wußte, diesen kleinen, schwarzen Punkt auf der Röntgenplatte zu bekämpfen.
Diese lächerliche Erbse, die den Tod in sich trug.
Und dann dachte Dr. Osura an Anita, und er kam sich elend und gemein vor, schuftig und niederträchtig. Und er hatte plötzlich den wahnsinnigen Wunsch, an Juans Stelle zu sein, denn was war sein Leben gegen die Zukunft dieses Jungen …
Die Nacht war hell und mit Sternen bestickt. Aber Dr. Osura sah sie nicht, weil er Gott nicht mehr sah …
Drei Tage nach seiner Entlassung aus der städtischen Klinik von Toledo, nach den drei Tagen, in denen Juan las und von Frau Sabinar getröstet wurde, erhielt er den Besuch von Ramirez Tortosa.
Frau Sabinar war voll Würde, daß der Direktor der Kunstakademie so offiziell bei ihr erschien, denn er fuhr mit seinem Wagen vor, überreichte ihr einen großen Strauß Rosen und fragte unten im Flur:
»Wie geht es meinem Schüler, Señora?«
Frau Sabinar erzählte in wohlgesetzten Worten und mit kleinen Übertreibungen, wie rührend sie für Señor Torrico gesorgt habe und wie wohl er sich fühle, seitdem sie ihn beaufsichtige und jeden Wunsch von den Augen ablese. »Er liest fast immer«, sagte sie und war stolz auf den klugen Herrn. »Und er ißt auch gut – ich glaube, daß er bald wieder ganz gesund ist.«
»Das hoffen wir alle, Señora«, antwortete Tortosa, und er hatte dabei einen bitteren Geschmack auf der Zunge. Dann entschuldigte er sich und ging die Treppe hinauf zu Juans Zimmer. Juan freute sich, daß Tortosa ihn besuchte, und er kam ihm entgegen und drückte ihm beide Hände wie einem alten Freund.
»Wie geht es Ihnen?« sagte Tortosa und sah Juan in die Augen. Sie waren wieder klar, das Gesicht schien ihm in den drei Tagen voller geworden zu sein, auch war es nicht mehr so blaß. Wahnsinnige Hoffnung glomm in Tortosa empor, daß sich die Ärzte geirrt haben mochten und es doch nur ein Schwächeanfall gewesen war, daß der dunkle Punkt auf dem Röntgenbild irgend etwas anderes, aber kein Geschwür sei … er drückte Juan die Hände und war glücklich, als dieser sagte:
»Mir geht es so gut wie noch nie, Herr Professor.«
»Das ist schön.« Tortosa setzte sich in den Sessel am Fenster und schlug die Beine übereinander. »Ich habe Ihnen eine Freudenbotschaft zu überbringen, Juan.«
»Ein Brief von Doktor Osura?« Juan sprang auf.
»Nein. Aus Madrid. Von Fredo Campillo.«
»Von Señor Campillo?«
»Ja. Er möchte Sie für vier Wochen nach Madrid nehmen, damit Sie die großen Kunstschätze Spaniens kennenlernen.«
»Nach Madrid?« stotterte Juan. »Wirklich nach Madrid? Das war mein ganzer Traum …«
»Professor Yehno sagte mir, daß er Sie vier Wochen entbehren kann. Sie holen es dann nach, vielleicht studieren Sie auch in Madrid weiter.« Tortosa sah zu Boden, es war ihm unmöglich, Juan in die freudestrahlenden Augen zu sehen. »Auf der Hinfahrt wird Sie Doktor Osura begleiten …«
»Was? Doktor Osura wird nach Toledo kommen?« Juan klatschte in die Hände. »Das ist ja wunderbar. Dann erfahre ich, wie es der Mutter geht und Pedro und Elvira und …« – er stockte und fügte leise, ein wenig schuldbewußt, hinzu – »und Concha …«
»Sicherlich bringt er Ihnen Grüße mit.« Tortosa spürte, wie sehr ihn das Gespräch ergriff, und er zündete sich mit zitternden Händen eine Zigarette an, um seine Nerven zu beruhigen. »Madrid ist eine strenge Stadt«, sagte er danach. »Jeder Student, der dort studieren will, muß sich untersuchen lassen. Sie müssen es auch, Juan.«
Juan winkte lachend ab. »Einmal mehr oder weniger – was macht es, Herr Professor! Ich bin gesund, ich fühle es, ich bin so kräftig, wie ich noch nie war. Ich möchte wieder vor einem Stein stehen und arbeiten, Herr Professor!«
»In Madrid, Juan, können Sie es. Nur noch ein paar Tage Geduld.«
»Und wenn die vier Wochen in Madrid herum sind?« fragte Juan.
Tortosa blickte auf das Fenster. Seine Antwort war langsam. »Dann
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