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Vielleicht will der Kapitalismus gar nicht, dass wir gluecklich sind

Vielleicht will der Kapitalismus gar nicht, dass wir gluecklich sind

Titel: Vielleicht will der Kapitalismus gar nicht, dass wir gluecklich sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max. A Hoefer
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Dort stand ein hellblauer Schuber mit sieben »Wirtschaftsklassikern« von Capital , wofür ich zehn Jahre lang als Redakteur geschrieben hatte. Band sechs war Max Webers Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus . Als Student hatte mich fasziniert, dass Weber den »Geist des Kapitalismus« als ein Produkt der protestantischen Kultur ansah und zeigte, dass der Kapitalismus nur entstehen konnte, weil zuvor schon eine spezifische Erwerbsmentalität entwickelt worden war. Für Weber waren die Kultur und die Gesinnung entscheidend, und er sah den Kapitalismus nicht als logische Folge ökonomischer Marktgesetze, wie das im amerikanischen Fortschrittsmythos oder bei den Ökonomen der Chicago-Schule behauptet wird. Wer Webers Entstehungsgeschichte des nutzenfixierten Berufsmenschen liest, der versteht, wo wir unsere Ruhelosigkeit, das Nie-genug-kriegen-Können, den Steigerungswahn herhaben.
    Der protestantische »Geist des Kapitalismus« hat die Mentalität der westlichen Industrienationen geformt, und er hat dabei, trotz einiger Metamorphosen, seinen Kerngedanken nie verändert, wie ihn Weber eindringlich beschrieb: »Erwerb von Geld und immer mehr Geld, unter strengster Vermeidung alles unbefangenen Genießens.« 5 Von Glück war nie die Rede gewesen. Der Berufsmensch sollte nutzenorientiert, kalt, ordentlich, fleißig und produktiv sein. Der Mensch sollte leben, um zu arbeiten, und nicht, wie in allen anderen Kulturen davor, arbeiten, um gut zu leben. Glück, Fröhlichkeit, Lust, Zufriedenheit oder Daseinsfreude sind dem Puritanismus wesensfremd. Gerade in der Überwindung des Emotionalen und des Genießens soll sich seine »Weltüberlegenheit« beweisen. Menschen, die mit sich zufrieden waren, die das Leben genossen, waren voller Sünde und von Gott verdammt.
    Der berühmte amerikanische Essayist H. L. Mencken bezeichnete den Puritanismus Mitte des 20. Jahrhunderts als die »quälende Angst, dass irgendwo irgendjemand glücklich sein könnte«. Und dieser Geist durchdringt, so scheint es mir, unser Leben mehr denn je. Max Weber war noch nie so aktuell wie heute. Von einer glücklichen Gesellschaft sind wir trotz Produktions- und Konsumrekorden weit entfernt.
    Freunden, denen ich die Grundthese dieses Buches vortrug, der Kapitalismus wolle wegen seiner puritanischen Wurzeln gar nicht, dass wir glücklich sind, hatten zumeist einen Einwand: Von einem »stahlharten Gehäuse« könne doch keine Rede mehr sein. Die Menschen schuften heute vielleicht intensiver als je zuvor, und viele sind vom Beschleunigungsstress erschöpft, jeder wünschte sich sogar ganz persönlich mehr Ruhe und Entschleunigung, aber die Menschen würden doch freiwillig im Hamsterrad laufen.
    In der Tat hatte Max Weber vor 100 Jahren befürchtet, dass die kalte Rationalität der Industrie wie eine eiserne Faust die Gefühle und das Leben der Menschen noch weiter disziplinieren würde. Den Wandel vom asketischen Sparkapitalismus zum auf Konsum und Schulden beruhenden Pumpkapitalismus unserer Tage hatte er sich nicht vorstellen können. Webers »Puritaner« schienen in den 1960er Jahren am Ende, entmachtet von Konsum, Spaß und Rebellion. Daniel Bell 6 sagte damals voraus, dass die protestantische Arbeitsmoral an der hedonistischen Freizeitkultur zugrunde gehen werde. Yuppies und Hippies passen nicht zueinander.
    Aber genau das, was Bell bezweifelt hatte, hat funktioniert. Yuppies und Hippies passen mittlerweile wunderbar zueinander. Apple-Gründer Steve Jobs wird von seinen Anhängern verehrt, weil er den fleißigen Künstler und den kreativen Unternehmer verkörpert. Die Gegenkultur der 68er hat die alten Arbeitstugenden der Pflicht und Leistung mit den Idealen der Autonomie, der Kreativität und Flexibilität angereichert. Die Konzerne suchen genau diesen Typus: intrinsisch motiviert, spontan, disponibel, unkonventionell, dabei kompetent und gut ausgebildet. Diese Mitarbeiter drängen danach, ohne Murren Überstunden zu leisten, sie identifizieren sich mit ihren Projekten, für sie ist die Anerkennung im Job der größte Sinn ihres Lebens.
    Wir müssen also Max Weber weiterdenken und konstatieren: Die Steigerungsspirale im Beruf, die Dauerbetriebsamkeit, ja der »Erschöpfungsstolz«, wie der Psychologe Stephan Grünewald 7 die bereitwillige Unterwerfung unter das Leistungsdiktat nennt, dreht sich nur deshalb so schnell, weil die Werte der Gegenkultur dem Turbokapitalismus neuen Schwung gaben.
    Der Puritaner ist nicht tot, er ist

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